Die Glockengießer von Speyer

Zwischen 1152 und 1970 erwähnt – Keine geschlossene Überlieferung

Eine früher als „türmereich“ geschilderte und dargestellte Stadt wie Speyer hat auch eine Geschichte der Glockengießerei. Sie stellt sich nicht in fortlaufender Geschlossenheit dar und endet 1970, nachdem das heute als Metallpresswerk Baumgartner GmbH & Co. KG bestehende Unternehmen die letzte Glocke gegossen hatte.

In der Anfangszeit der Glockenherstellung waren die Gießer Wanderhandwerker, da die Glocken meist vor Ort an der Kirche gegossen wurden. Der Transport von einer zentralen Gießerei zu den Bestimmungsorten war zu beschwerlich, zudem hätte die Glocke beschädigt werden können. Das ist mit ein Grund für die spärliche Geschichtsbeschreibung der Glockengießerei.

Nach Aufsätzen der Historiker Hans Fritzen und Ludwig Anton Doll in den Ausgaben 1952 der „Pfälzer Heimat“ ist die älteste Erwähnung eines Speyerer Glockengießers einer 1905 erschienenen Abhandlung über eine Kirche im rheinhessischen Wörrstadt zu entnehmen. Demnach war die große Glocke dieser 1152 eingeweihten Kirche „von Meister Theobaldus zu Spire“ gegossen worden.

Ein Kollege namens Volmar wird um 1307 in der Domstadt erwähnt. Aus seiner Gießerei soll die große Domglocke stammen. Deren Vorgängerin hatte sich aus unbekanntem Grund in Anwesenheit des Königs Albrecht aus ihrer Befestigung gelöst und einige Gewölbe durchschlagen. Beim Aufschlag auf den Boden zersprang sie in drei Teile.

In den Jahrhunderten danach 1411 erwähnen die Aufzeichnungen in der „Pfälzer Heimat“ folgende Glockengießer, die entweder in Speyer wohnten oder tätig waren: Jürgen von Spier (1411), Hans Reinhart (1413), Hans zur Glocken und Otto von Lautern (1452), Peter zur Glocken und Georg von Guntheim (1470), Jörg von Spier (1473, 1483), Hans von Speier (1480, 1486; lebte offenbar auch in Sulz/Elsass).

Es geht weiter mit Jorig Buchsenmeister, genannt Gunthem oder Guntheim (1490), 1508 Jörge Guntheim von Spire, Peter Ammons (ebenfalls 1508; er und Jörge Guntheim sollen zeitweise gemeinsam auch eine Gießerei in Straßburg betrieben haben), Paul Kessel (1594), Georg Wolfskehl (1624), Georg Graisser (1650), Michel Salomon Strernecker (1651), Melchior König (1677), Hans Melchior König (1681),Johann Georg und Johann Melchior König (1719), Philipp Friedrich Brechtel (1771, 1780)), Johann Paul Strobel oder Strubel (1766), Otto Siedle (1906), Hermann Baumgartner (ab 1954). /wk

Turm der Retscherkirche: Unterschiedlich hoch

Turm der Retscherkirche: Unterschiedlich hoch

In der Pfalz sind die Speyerer die Größten. Zumindest, was die Höhe ihres höchsten Kirchturms betrifft, dem der Gedächtniskirche der Protestation. Der Turm der „Retscherkärch“ misst nach Angaben des Bauvereins der Gedächtniskirche „genau 100 Meter“. Doch das stimmt nicht, ebenso nicht die in manchen Notizbüchern vermerkten 103 m und auch nicht die bei Wikipedia unter „Die welthöchsten Kirchtürme“ angegebenen Höhenmaße.

Dort ist der Turm der Speyerer Gedächtniskirche mit
96,75 m notiert. Damit ist er zwischen der Predigerkirche in Zürich (97,00 m) und der Mikael-Agricola-Kirche in Helsinki (96,70 m) auf dem 86. Platz eingeordnet (am höchsten ist das Ulmer Münster mit 161,53 m). Nicht ganz richtig ist auch eine 2001 von dem damaligen Dekan der Gedächtniskirche, Friedhelm Jakob angeregte Messung. Sie ergab 98,10 m.

Die unterschiedlichen Angaben veranlassten zur Nachfrage bei einem Experten. Bernd Ehrhardt, technischer Leiter der Bauabteilung der Evangelischen Landeskirche der Pfalz, hat beim Blick aus seinem Büro in der Roßmarktstraße den Retscher-Kirchturm stets im Visier. Doch um die Frage der Zeitung bis auf den Zentimeter genau beantworten zu können, schaut er in seine Unterlagen, erstellt nach dem ziemlich komplizierten Vorgang einer photogrammetrischen Vermessung.

Die besagt: Gemessen vom Haupteingang aus (Halle mit dem Luther-Standbild) ist der Kirchturm 96,40 m hoch; gemessen vom Chor aus (Ende des Kirchenschiffs) 97,40 m; gemessen ab der Straßenhöhe 97,60 m bis 97,70 m. Jeweils dazugezählt ist laut Bernd Ehrhardt der 40 cm hohe Aufsatz des Blitzschutzes.

Andere hohe Gebäude in Speyer: St. Josefs-Kirche: Westtürme
90 m/Osttürme 40 m – Dom: Osttürme 71,20 m/Westtürme 65,60 m – Altpörtel: 55 m – DRV-Hochhaus (früher LVA-Hochhaus): 54 m – Max und Moritz-Hochhäuser: 48 m – Wasserturm: 36 m – Diakonissenanstalt, Krankenhaus-Hochhaus: 34 m.

Das höchste Speyerer Gebäude war mit 200 m der große Kamin der Raffinerie. Er wurde 1978 gebaut und 1986 abgerissen.  – wk

Die Sache mit der Adolf-Hitler-Straße in Speyer

Bald soll der Stadtrat entscheiden, welche Speyerer Straße oder Allee nach dem ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl benannt werden wird. Über Benennungen dieser Art wurde während der Nazi-Zeit nicht diskutiert. Falls nicht schon in jeder Stadt und in jedem größeren Dorf auf Anweisung örtlicher Parteigenossen geschehen, erging aus Berlin die Anordnung, sich auf diese Weise vom Führer „beschenken“ zu lassen. Das war in Speyer nicht anders.

In der Domstadt lag die „Adolf-Hitler-Straße“ nicht etwa im Zentrum wie anderswo zumeist, sondern am westlichen Stadtrand. Aufmüpfigkeit gegen die Reichsführung etwa? „Das Gegenteil war der Fall“ fand Ferdinand Schlickel heraus, ein auch mit der Speyerer Stadtgeschichte vertrauter früherer Journalist.

Danach hatten die Speyerer Nazis von einer Prunkallee zwischen dem Wasserturm (dort bestand bereits eine Adolf-Hitler-Straße) und der Iggelheimer Landstraße geschwärmt und diesen Plan in Berlin vorgelegt. Die NS-Führung reagierte offenbar umgehend und rekrutierte für diese künftige kilometerlange Prachtstraße, die sich zu großartigen Einzügen in die Stadtmitte eignen würde, den Namen des „Führers“.

Doch als es sich ab 1943 zeigte, dass es wohl nichts werden würde mit dem „Tausendjährigen Reich“, wurde der Plan einer Prunkallee fallen gelassen. Dafür sollte eine große Straße inmitten der Stadt den Namen Adolf Hitlers tragen.

Zunächst wurde dafür die Bahnhofstraße vorgeschlagen. „Das lehnte der damalige zweite Bürgermeister Cornelius Bechtel ab“, berichtete Schlickel. Das Argument des Bürgermeisters: „Eine Straße, die seit 1860 so heißt und zum Bahnhof führt, wird für die Bürger immer die Bahnhofstraße bleiben. Das ist nicht groß und nicht erhaben genug für den Führer“. Zusammen mit Karl Delobelle, dem NS-Aufpasser des Bürgermeisters Karl Leiling, brachte Bechtel die Wormser und die Johannesstraße ins „Adolf-Hitler-Spiel“.

Leiling sprach dagegen. Er verwies vor dem Stadtrat darauf, welche Schwierigkeiten dem Grundbuch- und Katasteramt durch die Umbenennung entstehen würden und behauptete, „das will der Führer in diesen Zeiten nicht“. Dieses Argument zog. Die Straße mit dem Namen Adolf Hitler blieb auf das relativ kurze Stück „Am Wasserturm“ beschränkt. So heißt sie wieder, seit sie – wie fünf andere Speyerer Straßen auch – nach dem Krieg „entnazifiziert“ wurde.  – wk