Der Myriameterstein

Weil an einem für Kraftfahrzeuge gesperrten Waldweg postiert, bleibt ein Stück internationaler Rheinschifffahrts-Geschichte bei Speyer weitgehend unbeachtet.
Nahe der ehemaligen „Anlage zum Freischützen“ auf der Herrenwiese steht etwa eineinhalb Kilometer südöstlich der Schiffswerft zwischen dem Hauptdeich und dem von einem Altrheinarm durchsetzten Gebiet bis zum Leinpfad ein Myriameter-Stein. Das ist eine vor über 100 Jahren aufgestellte, mit heute etwas geheimnisvollen Angaben versehene Vermessungsmarke für die damalige Rhein-Schifffahrt.

1864 ordnete die „Central Commission für die Rheinschifffahrt“ an, den Rhein ab der Mitte der mittleren Baseler Rheinbrücke bis zu seiner Mündung zu vermessen. Neu zu vermessen, denn vor und während der Tulla’schen Rheinbegradigung war dies zwischen 1817 und 1839 schon einmal geschehen. Doch die von verschiedenen Anliegerstaaten ermittelten Maße verwirrten offenbar.

Zuvor musste die Verwirrung freilich noch größer gewesen sein, waren doch die Schiffer auf dem abschnittsweise stark verzweigten Rhein auf die alten Maßeinheiten angewiesen. Und die schwankten mit 550 bis 1100 Kilometern Rhein-Gesamtlänge beträchtlich.

Die Kommission sorgte für Durchblick. Sie schrieb vor, dass die viereckigen Vermessungsmarken aus überwiegend gelbbraunem Sandstein aus Ibbenbueren im nördlichen Westfalen zu bestehen sowie samt Sockel etwa 120 Zentimeter hoch und auf vier Seiten je etwa 50 Zentimeter breit zu sein hatten und zudem mit einer flachen Pyramide zu „deckeln“ waren.

Alle vier Seiten waren zu beschriften, tal- und bergwärts des Stroms sowie dem Wasser zu- und weggeneigt. Die Angaben hatten Myriametern zu entsprechen. Das Wort „myria“ kommt aus dem Altgriechischen und steht für zehntausend beziehungsweise zehntausendfach. Die Steine waren demnach in Myriaden aufzustellen: also alle zehn Kilometer.

Postiert ist der Stein nahe des heutigen Rheinkilometers 394 (direkt bei Speyer: 400). Das besagt, dass es von da aus bis Konstanz 394 Rheinkilometer sind, denn 1939 wurde der Ausgangspunkt der Vermessung von Basel nach Konstanz verlegt. Ob der Stein ursprünglich an seinem jetzigen Platz stand, ist fraglich. Der von Tulla begradigte Strom fließt 150 Meter östlich.

Die Salzturmbrücke

Sie bildet das dritte Verbindungsglied zwischen dem Altstadtherzen von Speyer und der ehemaligen “Hasepiehler” Vorstadt. 1305 wird sie als “saltzbrücke” erstmals genannt, doch wie kam sie zu ihrem Namen?

Durch den einstigen Salzturm.

Im Jahre 1280 soll der Turm gebaut und vier Jahre später durch Koenig Rudolf von Habsburg gutgeheißen worden sein. Er gehörte damals zu den 21 starken Stadttürmen der Innenstadt. Die Salzsiederzunft, zu der auch Seiler und Ölhaendler zählten, übernahm die Verteidigung dieses Stadttores in Kriegszeiten. Außerdem beherbergte der Salzturm bis zur französischen Revolution neben dem Bettelvogt mehrere hundert Jahre lang ein “peinliches Gefängnis”. Dies war die milde Umschreibung der gefürchteten Folterkammer Speyers, in der Geständnisunwillige im Mittelalter zum Sprechen gebracht wurden. Sogenannte “spanische Stiefel” oder “gespickte Hasen” standen im dritten Stock des Turmes dem Scharfrichter zur Verfügung…

Im Erdgeschoss des Salzturmes wohnte der Speyerer Bettelvogt, der sich der Armen der Stadt sowie armen Durchreisenden und Vagabunden anzunehmen hatte. 1819 wurde der Salzturm gleich den angrenzenden Stadtmauern mangels Baumaterial abgebrochen. Ein Bildnis des Salzturms hat uns der Frankfurter Maler Schütz (um 1760) hinterlassen, das im historischen Museum in Speyer bewundert werden kann.

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Zurück zur Salzturmbrücke. Auf ihrer nördlichen Seite, in der Hasenpfuhlstrasse, lag im Mittelalter noch eine Mühle. Zuerst in städtischem Besitz, später dem Elendherbergsalmosen gehörend, wurde sie im 15. Jahrhundert als “Walkmühle über Hasenpfuhl” an die Weberzunft verpachtet. Drei Jahrhunderte später konnte man hier von einer Krappmühle lesen. Bis zum Sommer 1910 überspannte die Salzturmbrücke den Nonnenbach wahrscheinlich noch in ursprünglichem Zustand, nämlich in vier Bögen. Vier Joche, auf schmalen und gegen die Strömung des Bachs zugespitzten Pfeilern, trugen dabei die schwere Last des grauen Sandsteinbauwerks. Eigenartigerweise waren die vier Joche in der Konstruktion schiefwinklig zur Längsachse der Brücke ausgerichtet.

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Im Historischen Museum kann man heute noch drei Bogenfaenger sowie einen zugehörigen Kragstein dieser “alten” Salzturmbrücke begutachten. Nachdem sie Anfang des 20. Jahrhunderts erst durch eine gemauerte Ein-Bogen-Konstruktion abgelöst wurde, erfolgte keine 70 Jahre später bereits die zweite “Verwandlung”. Denn der Sanierungsdrang und die verkehrlichen Erfordernisse Speyers machten den erneuten Abriss der “altehrwürdigen” Verbindung zwischen Altstadt und Hasenpfuhl notwendig. Vergleicht man die heutige Version der Salzturmbrücke mit ihrer – vermutlich aus dem 14. Jahrhundert stammenden – ursprünglichen Form: Dem Autor jedenfalls gefällt das Original besser als das moderne Plagiat. Im Zuge einer “Stadtteilverbindungsstraße” (Verkehrsplaner-Sprache) wurde die Salzturmbrücke 1977 zur 60 Tonnen tragenden Straßenbrücke.

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Quelle: Speyer und seine Bruecken, ISBN 3-87928-873-9