Als das „Woiglöckel“ bimmelte

Früher war eher Schluss für Speyerer Zecher

Nicht ganz 200 Hotels, Gasthäuser und Vereinslokale gibt es in Speyer, manche mit zeitlich unbegrenzter Schankerlaubis. Davon hätten Wirte früherer Zeiten nicht einmal zu träumen gewagt. Für sie und ihre Gäste war spätestens um zehn Uhr am Abend Schluss. Im Mittelalter forderte sie das Bimmeln des „Woiglöckels“ im Altpörtel dazu auf.

Eine von dem Reichstag 1577 in Frankfurt für das ganze Reich gültige ,,reformierte und gebesserte Policey Ordnung‘‘ überschreibt ihren achten Absatz „Von ubermessigem Trinken und Zutrinken“. Darin werden kommunale Obrigkeiten, Pfarrer und Prediger aufgefordert, gegen Trunksucht vorzugehen.

In Speyer schlug sich das unter anderem in Ausschankverboten nieder. Demnach durfte an Sonn- und Feiertagen während der Zeit des Gottesdienstes und auch spätestens zwei Stunden vor Mitternacht „an Bürger, Handwerksburschen und andere Einwohner“ kein Wein ausgeschenkt werden.

Wer sich nicht daran hielt, ob Wirt oder Zecher, wurde auf der Hauptwache angezeigt, gegebenenfalls mit mindestens fünf Gulden (was dem Jahreslohn einer Viehmagd entsprach) und/oder „mit weiterer obrigkeitlicher Ahndung bestraft werden“. Bis Mitternacht durften nur Durchreisende und Teilnehmer an  Hochzeitsgesellschaften den Becher schwenken.

Später wurde die Schankerlaubnis offenbar zeitlich nicht so streng eingegrenzt. Bis Mitte des ersten Weltkriegs vor 100 Jahren eine Mitteilung des ersten Adjunkten Michael Stoertz (entsprach in etwa dem Amt der heutigen hauptamtlichen Beigeordneten Stefanie Seiler) zechfreudige Speyerer und ihre Wirte aufschreckte.

Denn mit der städtischen Mitteilung wurde die bezirksamtliche Verfügung aufgehoben,  bis 11 Uhr am Abend ausschenken zu dürfen: „Behufs Ersparnis von Brennstoffen verbleibt es somit bei der durch Bundesratsverordnung auf zehn Uhr festgesetzten Polizeistunde“. (wk)

 

Speyerer Frauen-Streik 1899 in den Ziegelwerken war eine Sensation

„Ausgebeutete Proletarierinnen“

 Speyerer Frauen-Streik 1899 in den Ziegelwerken war eine Sensation

Bei Streiks geht es vorwiegend um eine bessere Entschädigung. Darum ging es auch bei der vermutlich ersten Arbeitsniederlegung von Frauen und Mädchen in Deutschland – beim Streik 1899 in den Vereinigten Ziegelwerken von Speyer. Dabei ging es aber auch um die Beseitigung von „menschenunwürdigen Zuständen“, wie es 1899 in der Presse hieß.

Die in Ludwigshafen erscheinende, auch in Speyer und Umgebung gelesene „Pfälzer Post“ merkte zu einer Protestversammlung „von weit über 200 Personen“ in der Gastwirtschaft „Rheinstation“ an: „Es ist ein sehr erfreuliches Zeichen, dass sich auch bei diesen ausgebeuteten Proletarierinnen endlich das bisher mit allen Mitteln niedergedrückte Klassenbewusstsein bemerkbar macht. So unglaublich es auch klingen mag – die Mädchen und Frauen haben wirklich gestreikt“.

Der „Weiberstreik von Speyer“ galt in ganz Deutschland als Sensation. Um seine Ursache zu verdeutlichen, wird im Folgenden aus dem damaligen Artikel der „Pfälzer Post“ zitiert. Zumal es nicht nur um eine Lohnerhöhung ging (im Durchschnitt erhielten die meist elf Stunden an Pressen stehenden Mädchen und Frauen 1,60 Mark am Tag), sondern auch um eine Verbesserung der Werksbedingungen überhaupt. Wobei in dem Zeitungsbeitrag darauf verwiesen wurde, „dass die ausnahmslos in Heiligenstein, Mechtersheim und anderen umliegenden Orten wohnenden Mädchen ihren Arbeitsplatz am Rhein in Speyer mangels anderer Gelegenheit zu Fuß erreichen müssen. Ihr Arbeitstag beträgt also, die tägliche Marschleistung eingerechnet, 13 bis 14 Stunden“.

Zur Arbeitsverweigerung führten zudem: Die Arbeiterinnen konnten sich nicht säubern (Zitat: „Eine Wasserleitung ist vorhanden, aber wer sie benutzt, wird bestraft“), konnten ihr mitgebrachtes Essen nicht warm machen, bei Windstößen fiel von der  Fabrikdecke Ruß, es gab keinen Umkleideraum und keine Möglichkeit, die gegen Arbeitskleidung getauschten Alltagskleider aufzubewahren, die zur Reinigung der Ziegelpressen benötigten Putzlappen und Bürsten „sind selbst anzuschaffen“.

Wie lange der Streik dauerte, ob es mehr Lohn gab und ob überhaupt etwas verändert wurde, ist nicht überliefert. Die Arbeitsniederlegung war jedoch insofern erfolgreich, da die Fabrikinspektion,  ein Vorläufer der Gewerbeaufsicht, auf die Arbeitsverhältnisse in den Speyerer Ziegelwerken aufmerksam wurde. Zudem registrierte der bei der Protestversammlung das Wort führende Vertreter der „Nichtgewerblichen“, eine Gewerkschaftsorganisation, laut Zeitungsbericht, „ein beträchtliche Anzahl Arbeiterinnen, die sofort ihren Beitritt zu dem  Verband erklärten“. (wk)

Als im Salzturm „befragt“ wurde

Nur ein Schild erinnert an das berüchtigtste Speyerer Gefängnis am Fischmarkt

Seit die Jugendarrestanstalt in der Hagedornsgasse vor Jahrzehnten in der Schifferstadter Jugendstrafanstalt aufging, hat Speyer kein Gefängnis mehr. Früher gab es mehrere. An eine der am meisten gefürchteten, weil mit Folterungen verbundenen Speyerer „Knäste“ erinnert ein Schild an einem mehrgeschossigen Wohnhaus am Fischmarkt.

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„Auf dieser Stelle stand mehrere Jahrhundert lang ein peinliches Gefängnis, zum Salzturm genannt. Dieser dumpfe Kerker wurde niedergerissen und umgestaltet im Jahre 1819“ (peinlich kommt aus der Strafprozessordnung und bedeutet „Leib und Leben betreffend“). Er soll laut des Speyerer Historikers Fritz Klotz 1280 erbaut worden sein und war Bestandteil des 21 ähnliche Bauwerke umfassenden Turmrings um die Innenstadt. Für seine Verteidigung in Kriegszeiten hatte die Zunft der Salzgießer, Seiler und Ölhändler aufzukommen.

Der Salzturm war 8,64 m hoch, 4,6 m breit und  hatte vier Geschosse. Im untersten wohnte der Bettelvogt, der unter anderem Vagabunden zu beaufsichtigen hatte. Vermutlich war er auch für die Gefängnisinsassen zuständig; ob auch für deren „Befragung“ ist nicht gewiss.

Die besorgten vermutlich Henker und ihre Gehilfen. Jedenfalls wurde nach den Angaben eines Scharfrichters aus Neustadt die „Marterkammer“ im dritten Stock des Speyerer Salzturms noch 1733 neu ausgestattet. „Glanzstück“ war ein Streckapparat. An ihm wurden Delinquenten mit nach hinten gezurrten Armen und am Boden festgebundenen Füßen so lange hochgezogen, bis sie zur Aussage bereit waren. Unter der „Marterkammer“ befanden sich die sogenannten Blöcke, zwei aufeinander gefügte Balken mit Ausschnitten für Kopf und Hände und einem Halseisen. Um die Opfer noch mehr zu strafen, waren diese Blöcke in schmalen, nicht ganz zwei Meter hohen  Holzhäuschen untergebracht, durch die kein Licht fiel.

Klotz: „Das Ende des Salzturms als Ort des Schreckens kam  vermutlich in den Tagen der Französischen Revolution, als im Zeichen der erwachenden Freiheit die althergebrachten Marterinstrumente verbrannt oder zerschlagen wurden“.

In Speyer wurden  lange Gefängnisstrafen nur selten verhängt. Zwar gab es genug Inhaftierte, doch die warteten meist nur auf ihren Prozess, waren Untersuchungsgefangene. Der Grund, warum Verurteilte eher der Stadt verwiesen oder aber vom Leben in den Tod befördert wurden, war einfach: Ihr Aufenthalt im Knast kostete Geld. Sie aufzufordern, für ihr Dasein hinter Mauern selbst aufzukommen, war sinnlos – die meisten waren bettelarm.

Eingesessen werden musste in der Regel für Delikte wie kleiner Diebstahl, Betrug, Ehebruch, leichtfertiger Lebenswandel. „Liederliche Dirnen“ kamen ins „Betzenloch“ des Altpörtels oder in die „Hurenstube“ des St. Georgen-Hospitals.  Als Gefängnisse für Männer dienten vorwiegend  der Weiße und der Rote Stadtturm, der Juden- und der Salzturm, das Alt- und Neupörtel. Ferner gab es Gelasse im Hospital und unter dem Rathaus.

Die Gefängnisse wurden aber oft Jahre lang nicht benutzt. Einige befanden sich in desolatem Zustand. Ausbrüche waren nicht eben selten; 1765 stürzte ein Häftling aus Venningen bei der Flucht aus dem Salzturm ab und starb kurz darauf.

In einigermaßen gutem Zustand befanden sich 1626 das Gefängnisstübchen im Hospital, das Salzturm-Blockhaus, der „Backofen“ in der Elendherberge, der Weiße Turm, das Alt- und Neupörtel. Die anderen Haftlokale präsentierten sich verwahrlost, wie eine vom Rat in Auftrag gegebene richterliche Untersuchung ergab. Der Rote Turm hatte sogar keine Pforte mehr.

Wer einsaß, wurde nicht selten krank. Mangels richtiger Ernährung und wegen des Zustands der Zellen. 1774 wurde ein Gefangener lange Zeit in dem „Behältnis“ unter dem Rathaus gehalten, „einem finsteren, feuchtkalten Loch“. Wenn Häftlinge wegen ihrer Erkrankung besser untergebracht und ernährt wurden, war es oft zu spät.  – Wolfgang Kauer

Siehe auch: Salztum und Salztor