Das Einhorn auf dem Dach

In Speyer steht eine der zehn ältesten Apotheken in Deutschland

Eine der zehn ältesten Apotheken Deutschlands steht in Speyer. Es ist die mit dem Einhorn im Wappen. Unter dem Namen dieses Fabelwesens 1675 erstmals genannt, wird sie jedoch schon 1457  als „Apotheke am Markt“ erwähnt. Stefan Baum ist seit 2004  der 16. Apotheken-Inhaber des vor 310 Jahren gebauten mächtigen Giebelhauses in der Maximilianstraße 23.

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Aufgezeichnet hat die Geschichte der „Einhorn-Apotheke“ Hans Richard Bornschlegel, Baums Vorgänger. Der heutige Besitzer  stellte die 24-seitige Broschüre zur Verfügung.

Demnach beauftragte der Apotheker und Bürgermeister Johann Conrad Schwanckhardt den Domstifts-Zimmermann Johann Jakob Rischer, an Stelle der beim Stadtbrand 1689 zerstörten Häuser „Zum Grünenberg“ und „Waldeck“ eine Drei-Etagen-Haus für eine Apotheke zu bauen. Sie sollte Schwanckhardts etwas weiter südlich, im nachmaligen Püttmannschen Anwesen, untergebrachte Apotheke ersetzen.

1703 war das mehrstöckige Giebelhaus mit fünf gleichförmigen Rundbogen fertig. Seitdem ist es unverändert geblieben, von Fensterrenovierungen abgesehen. Das Anwesen „zeigt die Stilmerkmale aus der Frühzeit des Spätbarock auf“ heißt in der Broschüre. Einzig eine 1,20 m hohe Einhorn-Statue aus Bronze des Speyerer Bidhauers Franz-W. Müller-Steinfurth auf dem Schopfwalmdach ist neueren Datums. Baum hat sie 2001 an Stelle ein von unten kaum zu sehenden kleinen Einhorn-Statue aus Stein aufstellen lassen.

Die Geschichte der „Einhorn-Apotheke“ beginnt bereits 1457. Archivarisch überliefert ist, dass Bischof Siegfried III. bei seinem Einritt in Speyer vor der Apotheke am Markt in der damaligen Krämergasse vom Pferd stieg. Beim Reichstag 1541 wird ein „Reinhart Benedict, apodeckher uff dem markt“ erwähnt, weil er zehn  Betten und drei Stuben zur Verfügung stellt und außerdem vier Pferde unterbringen kann.

1675 wird im Taufbuch der Predigerpfarrei ein „H. Johannes Fabricius dess Rats, Apothecker im Einhorn“ als Taufpate genannt. In einer auf Lateinisch verfaßten Visitationsurkunde 1685 (mit „unicorno“ für Einhorn) wird die Lagebezeichnung „Apotheke am Markt“ um den Namen „Einhorn-Apotheke“ ergänzt, allerdings mit dem erwähnten anderen Standort. Doch dass es sich bei der Einrichtung um eben diese Apotheke handele, gehe aus den Stadtbeschreibungen von 1679 und 1688 eindeutig hervor, ist in Bornschlegels Chronik notiert.

Stefan Baums „Einhorn-Apotheke“ ist eine von derzeit 15 in Speyer. Um 1350 werden zwei Apotheken genannt, zwischen 1569 und 1598 drei, 1599 vier. Eine fünfte lehnte der Stadtrat 1605 ab. Ab 1660 gab es nur noch die Apotheken am Markt (Alte, dann Einhorn) und in der Salzgasse (Schwanen), ab 1880 wieder drei. Nach dem Brand 1689 bestand ab 1703 für längere Zeit nur noch die mit dem Einhorn. Der wahrscheinlich erste Apotheker war 1280 ein Rudolfus, der offenbar aber keinen eigenen Betrieb hatte. Die älteste Apotheke Europas ist die zum „Löwen“ in Trier. Sie besteht seit 1241. Wolfgang Kauer (aus der Reihe: Stadtgeschichte(n) in der RHEINPFALZ, 2014); Bilder: wikimedia

Seit 60 Jahren prägt die St. Bernhardskirche den St.-Guido-Stiftsplatz

Symbol für grenzenloses Europa

Prominenz vor und inmitten einer nach Tausenden zählenden Menschenmenge: Der St.-Guido-Stifts-Platz erlebte am 23. August 1953 seinen bis heute größten Andrang. An diesem Sonntag vor 60 Jahren wurde der Grundstein zur Kirche St. Bernhard gelegt. Sie und ihr Glockenturm bestimmen bis heute das nordwestliche Bild der der Gesamtanlage.

Der Pilger - Bernhardskirche

Die VIP-Liste zur Grundsteinlegung liest sich wie ein Auszug aus dem „Adelsregister“ der Politik: Bundeskanzler Konrad Adenauer, der frühere französische Ministerpräsident und Außenminister Robert Schuman, Frankreichs Botschafter André Francois-Poncet, der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Peter Altmeier, der bayerische Landtagspräsident Alois Hundhammer, der pfälzische Regierungspräsident  Franz Pfeiffer. Dazu gesellten sich jede Menge Bundestags- und Landtagsabgeordnete und hohe französische Offiziere (die Bundeswehr gibt es erst seit erst 1955).

Acht Jahre nach dem 2. Weltkrieg hatten sich Deutsche und Franzosen am „Schicksalsstrom“ Rhein in Speyer zum ersten großen Gemeinschaftsprojekt gefunden. Die alte Domstadt schien dafür der geeignete Ort. War es doch am 27. Dezember 1146 dem burgundischen Zisterziensermönch Bernard de Clairvaux gelungen, nach den Franzosen auch die Deutschen für einen gemeinsamen Kreuzzug zu gewinnen.

Die Friedensbemühungen in beiden Ländern fanden im Grenzbistum Speyer schon bald nach 1945 engagierte Unterstützer. Speyerer Geistliche trafen sich mit Kollegen aus Elsass und Lothringen, die Pax-Christi-Bewegung und die Christliche Arbeiterjugend knüpften Verbindungen. Joseph Schwarz, später erster Pfarrer in St. Bernhard und danach Domkapitular, pflegte ab 1946 Kontakte zu Priestern in Paris und Lourdes.

Der Bau der am 24. September 1954 eingeweihten Kirche, Symbol für ein neues, die Grenzen überwindendes Europa, kostete 600.000 Mark. Die Hälfte davon übergab der Bischof von Metz, Jean Heintz, bei der Grundsteinlegung. Er hatte zuvor im Dom ein Pontifikalamt zelebriert. Die 300.000-Mark-Spende überreichte er bar, als Hundert-Mark-Scheine. Rheinland-Pfalz steuerte eine nicht näher genannte „namhafte Summe“ bei.

Die Grundsteinlegung vollzog im Beisein des Speyerer Bischofs Isidor Markus Emanuel und des Domprobstes Hofen der erste Apostolische Nuntius in der Bundesrepublik, Aloysius Joseph Kardinal Muench, ein US-Amerikaner. Ansprachen hielten Robert Schuman und – später vom Balkon des Bischofhauses – Konrad Adenauer.

In der Friedenskirche St. Bernhard mit ihren 450 Sitzplätzen und 72 Rundbogenfenstern, der großen Freitreppe und dem Kirchenvorplatz sowie dem freistehenden „Campanile“ setzte sich auch ein Speyerer Architekt ein Denkmal. Die Ideenskizze von Ludwig Ihm wurde denen von sieben Kollegen vorgezogen. St. Bernhard ist seit dem 1. Mai 1982 nicht mehr eigenständig und wird als Nebenkirche von der Dompfarrei verwaltet.  – Wolfgang Kauer  (aus der Reihe: Stadtgeschichte(n) in der RHEINPFALZ, 2013), Bild: Der Pilger, Speyer

Cholera rafft über 200 Speyerer hinweg

Letzte große Epidemie vor 140 Jahren – Auch in Waldsee Tote

Fünf Tage, nachdem er ins Hospital gebracht worden war, starb der Maurer Bummier. Das war am 25. August 1873. Der 42-jährige Familienvater war das erste Opfer der letzten großen in Speyer wütenden Epidemie: Die Cholera vor 140 Jahren forderte in der 13.000 Einwohner zählenden Stadt innerhalb von nicht ganz drei Monaten 202 Tote.

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Seuchen hatten Speyer im ausgehenden Mittelalter öfter heimgesucht. Vor allem fehlende Hygiene im Trinkwasser, bei der Nahrung und in Unterkünften sowie Unrat in den Gassen sollen zwischen 1314 und 1574 Tausenden das Leben gekostet haben – als Folgen von „Pestilentz“, womit die Pest und wohl auch die Cholera gemeint waren. Die war auch 1866 in Speyer aufgetreten, allerdings nur vereinzelt.

Vor 140 Jahren wütete die schwere Darmerkrankung vor allem dort, wo es arme Speyerer gab: In den Gebieten der Lauergasse, Halbes Dach, Stüber-, Steinmetz-, Mehl- und Mörschgasse, Armbrustraße, wo meist Tagelöhner und ihre Familien oft auf kleinstem Wohnraum zusammengedrängt hausten. Aber auch anderswo gab es Cholerafälle, unter anderem in der heutigen Karmeliterstraße. Insgesamt erkrankten 418 Speyerer, in Waldsee starben zwei Männer daran.

„Die Cholera in Speyer und Waldsee 1873“ heißt ein Beitrag von Bernhard Kukatzki, in dem der Schifferstadter Historiker auch schildert, wie die „asiatische Brechruhr“ an den Rhein gelangte. Ursprünglich auf Südostasien beschränkt, war die Cholera in jenem Jahr in Ungarn aufgetreten und bewegte sich über Wien und München bis nach Speyer als ihrem „letzten westlichen Ausläufer“ vor.

Für Speyer hatte die Epidemie auch insofern Folgen, als sie auch eine wirtschaftliche Krise nach sich zog. In dem erwähnten Beitrag heißt es dazu: „Von Ende August an, als das Auftreten der Seuche in Speyer durch öffentliche  Blätter bekannt wurde, vermied man sofort den Besuch der Stadt. Der Fremdenverkehr, sonst im September am lebhaftesten währen des ganzen Jahres, hörte bald auf, anfangs erschienen noch Geschäftsreisende. Als aber von Mitte September an die Krankheit zunahm, war die Verödung der Stadt vollständig“.

Wer von den Speyerer Bürgern es sich leisten konnte, sei geflohen. Sie hätten aber „auswärts nicht immer willige Aufnahme“ gefunden und waren „zum Teil gezwungen, ihre Heimat zu verleugnen“. Auch die Ausfuhr von Speyerer Waren habe aufgehört, „selbst bereits erhaltene wurden zurückgesandt, Bestellungen telegraphisch zurückgenommen“. Auch die drei Wochenmärkte seien schwach beschickt gewesen.

Die Ärzte Joseph von Heine und Friedrich August Mühlhäuser suchten nach den Gründen der Cholera-Epidemie in Speyer. Sie kamen zu der Erkenntnis, dass Ess- und Trinkmöglichkeiten des armen Bevölkerungsteils nicht die Auslöser gewesen sein können, wenngleich sie „durch hohe Preise der ersten Lebensbedürfnisse in Ernährung und Körperkraft etwas zurückgehalten wird“. Die Empfehlung der Mediziner: Verbesserung der hygienischen Verhältnisse. – Wolfgang Kauer (aus der Reihe: Stadtgeschichte(n) in der RHEINPFALZ, 2013), Bild: wikipedia