Schusterturm

Schusterturm (1546), Turm beim Halben Dach (1773). Wegen der Verwechslung mit dem eigentlich namenlosen Pulverturm im Maulbronner Klosterhof-Garten (am Lauerzwinger) halten wir uns an die klaren Namenslisten von 1500 bis 1632 und können dadurch die Formulierung von 1611 durchschauen, die dann 1773 bei Becker und allen Späteren zur Namensvertauschung und zum Verlegenheitsnamen „Turm beim Halben Dach“ geführt hat. Die Listen zeigen: 1500: Judenturm (Bäcker) – Schusterturm (-) – Turm beim Frauenhaus (Metzger) – Salzturm (Turmhüter); 1546: Judenturm – Schusterturm – Turm nächst dem Salzturm, Turm bei dem Maulbronner Garten, „steet ein Zuckermül daruff“ – Salzturm; 1611: Judenturm (Bäcker) – Turm in der Lauergasse (Lauerzunft) – Schusterturm – daran nachfolgender Turm, „sind zwey Gewölb obenauf, darinnen etkliche Centner oder Thonnen Pulfers“ – Salzturm (Salzgässerzunft); 1632: Judenturm – „der ein Bulfferduhrn, ist noch zu brauchen“ – „der ander [Pulverturm], darin die Mülle, ist sehr verderbtt“ – Salzturm.

Der Name Turm beim halben Dach für den Schusterturm kam wohl erst nach der Zerstörung von 1689 auf, als es mit der Funktion eines Pulverturms vorbei war. Becker misst die Turmruine genau ein; er gibt ihr den vernünftig gebildeten neuen Namen, weil er den nächsten für den „Schusterturm“ hält. „Turm beim halben Dach“ ist also kein falscher, aber ein Barockname. Ich vermeide ihn daher (vgl. Bäckerturm/Totengräberturm). „Am halben Dach“ war damals eine Sackgasse, die zum Anwesen „zum halben Dach“ führte. Die Dachform des „Halben Hauses“ muss man als ungewöhnlich empfunden haben. Es war an die Stadtmauer angebaut und hatte (mit Sondergenehmigung) eine Tür auf den Wehrgang hinaus.

Judenturm

Judenturm (1384). Warum man dem Turm diesen Namen gab, ist rätselhaft. Zwischen dem Judenturm und dem 500 Meter entfernten Judenviertel am Bach westlich von St. Clara lag noch das Dorf Spire mit seiner Pfarrkirche St. Martin (ehemalige Stadtgärtnerei, heute Martinskirchweg). Die Juden bildeten keine Zunft. Sie hatten schon vor 1349 Bürgerrecht, waren aber nicht wehrpflichtig, mussten also auch keine Turmwache stellen. „Uff dem Judenthurnn solten die Becker seynn“, heißt es um 1500; noch 1611 war die Bäckerzunft dorthin getürmt. In vielen Städten gibt es ebenfalls einen Judenturm. Hatten die Speyerer Juden als Verteidigungsbeitrag einen Turm finanziert? Die Städte erhoben seit dem frühen 13. Jh. meist eine Judensteuer zur Unterhaltung der Mauern und zur Abgeltung der Wehrpflicht. Ob man diesen Innenstadt-Eckturm drunten im Mörsch erst nach dem großen Pogrom von 1349 einfügte und dabei besonders viele Judensteine verwendete? Damals hat man die Umfassungsmauer, die Brandstätten der Häuser des Judenviertels bei Dorf Spire und die Mauern und Gräber des Judenfriedhofs ihrer Steine beraubt zum Bau neuer Türme und zur Verstärkung der Stadtmauern.

Bäckerturm

Bäckerturm (1546), Totengräberturm (1611). Er muss einmal, vor Aufkommen der Pulverwaffen, der Bäckerzunft anvertraut gewesen sein. Im Wachtbericht von 1500 ist indes davon keine Rede; die Bäcker waren nämlich zur Wache auf dem benachbarten Judenturm eingeteilt. So steht es auch noch im Inventar von 1611. Die Bäcker, deren Namen der Turm aber längst trug, müssen also vor 1500 umgetürmt worden sein zum Judenturm. Totengräberturm liest man zum ersten Mal 1611. Nach 1502 entstand der städtische Zentralfriedhof in der Vorstadt Altspeyer; dem Totengräber hatte man vor 1611 offenbar Platz in dem nahen Turm angewiesen, vielleicht als Gerätekammer. Im übrigen war der Turm 1611 der Schusterzunft anvertraut, während der Schusterturm und der Nachbarturm im Maulbronner Garten als Pulvertürme keine Zunftbesatzung mehr bekamen.