Prinzipien der Turmbenennung

Inzwischen weiß man über die Entwicklung der Namen mehr und kann sich hie und da Berichtigungen erlauben. Sollte man etwa Beckers Schreibfehler Rohrturm/Phorturm weitertragen? Soll anstatt Bäckerturm Totengräberturm bevorzugt werden, wo doch der Turm erst nach 1500 so hieß? Bei Birkenturm/Siechenturm ist es das gleiche. Wo es ging, wählte ich die älteren Namen.

Auch die Namenszusammensetzung ist einer Überlegung wert. Bei Turm zum Falken oder Falkenturm, Turm zum Farren oder Farrenturm haben die Gassennamen des letzten Jahrhunderts die Kurzform angenommen. In den alten Urkunden sind sie dann nicht zusammengezogen, wenn der Turm nach einer Tier- oder Baumart, vereinzelt auch nach einer Sache oder einem nahen Bau benannt ist. Man liest dann „Turm zum …“, etwa Turm zum Adler, zum Engel, zur Linde, zum Doppelhaken, zum Halben Dach, zum Heiligen Kreuz; es gibt Ausnahmen, wie Farrenturm und Birkenturm. Darf man schließen, dass bei Euwenturm, Schleicherturm, Rohrturm Personen- oder Gruppennamen dahinterstehen, wie bei Eurichsturm, Nikolausturm, Utenturm oder Zimmerleutturm? Sind die Namen auch nicht immer folgerichtig gebildet, so kann ihre Form doch Fingerzeige liefern.

Einen Taufakt für jeden Turm, etwa die Anbringung einer Namenstafel beim Richtfest wird man natürlich nicht erwarten. Die benachbarten Einwohner oder auch die jungen Wehrpflichtigen bei den Alarmübungen, der Volksmund also, dürften so manchen Namen erfunden haben. Noch nicht einmal die mit der „Stadtarmatur“ betrauten Bauschaffner und Zeugmeister waren bei den 76 Turmnamen immer ganz sicher. Dabei ist eine gewisse amtliche Namensgebung unverkennbar. In der Barockzeit, in den Listen von 1611, 1773 und im Stadtplan von 1730, hat man Namen festgeschrieben, als mancher Turm schon zerfallen war. Einige sind falschen Objekten zugeordnet, einige verballhornt.

Die Innenstadt-Türme sind vornehmlich nach Zünften benannt. Kein Wunder, berichtet doch Christoph Lehmann in seiner Stadtchronik zum Jahre 1470: „So hat auch der Rath denen sechszehen Zünfften 16 der stärcksten Thürn an der innern Stadtmaurn, jeder einen, angewiesen, denselben zu versorgen und zu bewahren.“ Ein Zunftname findet sich indes auch in einer Vorstadt: Fischertor. Bei der Innenstadt sind Bäcker, Juden, Kürschner, Lauer, Metzger, Salzgässe, Schmiede, Schuster, Zimmerleute vertreten. Doch waren den anderen Zünften ebenfalls Türme und Alarmplätze zugewiesen: Die Gärtner hatten die Gilgenvorstadt, die Kohlhenger oder Altspeyerer die Vorstadt Altspeyer, die Hasenpfühler ihre Vorstadt, die Fischer die Marxenvorstadt zu verteidigen.

Die in der Aufzählung noch fehlenden Hausgenossen (Münzer), Krämer, Leinenweber, Schneider, Tuscher (Wollweber) blieben nicht unbeteiligt: Die Tuscher stellten um 1500 die Wache auf dem Eurichsturm, die Weber besetzten den Roten Turm, die Krämer das Weidentor, die Schneider den Nikolausturm, die Hausgenossen den Armbrusterturm. Diese Türme behielten aber ihre älteren Namen. Die Zuordnung der Zünfte wechselte, die Namen blieben.

Beim Vorstadt-Mauerbau des 14. Jh. galten Namensprogramme: Die Gilgenvorstadt weist bei den 19 Mauertürmen 17 Vogelnamen aus, genau gesagt Namen von geflügelten Wesen; denn Drache, Engel und Greif sind schließlich auch dabei. Die Vorstadt Altspeyer bringt bei ihren fünf Mauertürmen Baum-Namen. Ihre drei (späteren) Wachthäuser stören freilich mit Fuchs (Hase), Wolf und Pfau die schöne Ordnung. Überm Hasenpfuhl tragen die vier Mauertürme Namen von Vierbeinern verschiedenster Wildheit, vom Löwen bis zum Widder; dass auch ein Tor (Kühtor) hier nach einem Vierbeiner benannt ist, hat seinen besonderen Grund. Bei der zuletzt befestigten Marxenvorstadt sind die Namen der fünf Mauertürme aus der Nachbarschaft entnommen. Bekanntlich vergeben noch heute die Ratssausschüsse Straßennamen für Neubaugebiete gerne nach thematischer Ordnung. Die Ordnung der Speyerer Turmnamen bemerkt man freilich erst richtig, wenn man alle Tor und Pforten weglässt, auch die später vermauerten (Alexpforte, Allmendtore, Germanstörlein). Die Tore selbst sind nämlich zu einem Drittel nach einer benachbarten Kirche benannt (St. Weiden Tor), sonst meist nach anderer Nachbarschaft (Tränktor). Prüfen wir also die Namen einmal durch auf Herkunft und Bedeutung, und ob sie zu den gezeigten Benennungsprinzipien passen!

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