Die Hammelbrücke

Wer die alte Rheinhäuser Straße zum Altrhein geht, muss über die Hammelbrücke. Es ist eine alte verwitterte Steinbrücke. Sie überquert einen schmalen Wassergraben, der vom Tafelsbrunnen herkommend, in die Goldgrube zieht. Von der Goldgrube, einst ein sehr ertragreiches Fischwasser, das mit dem Rhein in Verbindung stand, ist nicht mehr viel zu erkennen. Sie erstreckt sich ostwärts der Brücke und ist heute zum großen Teil verlandet. Südwestlich der Brücke, zwischen Hochwasserdamm und Wassergraben, zieht die Hammelweide hin, nach der die Brücke ihren Namen hat. Heute liegt die Hammelbrücke abseits des Verkehrs. Nur hie und da, wenn amerikanische Truppen am nahen Altrhein Übungen abhielten, fuhren schwere Lastwagen und Amphibienfahrzeuge über die alte Brücke. Aber sonst ist es hier einsam.

Früher war das einmal anders. Bevor im 19. Jahrhundert die neue Rheinhäuser Straße angelegt wurde, musste, wer über die Rheinhäuser Fähre ins Rechtsrheinische wollte, die Hammelbrücke überqueren. Einst zählte diese unscheinbare Brücke zu den wichtigsten weit und breit. Über sie zog eine der verkehrsreichsten Handels- und Poststraßen des alten Reiches. Ihre höchste Bedeutung erlangte sie unter Kaiser Maximilian, der zwischen seinen österreichischen Erblanden und den burgundisch-habsburgischen Besitzungen im heutigen Belgien einen ständigen Botendienst einrichtete. Reitende Boten verkehrten zwischen Innsbruck im Süden und Brüssel im Norden. Hier bei Rheinhausen setzten sie über den Rhein. Später verlor diese Straße ihre Bedeutung immer mehr. Sie blieb aber noch bis zur Französischen Revolution die wichtigste Verbindungsstraße zwischen den links- und rechtsrheinischen Besitzungen des Fürstbistums Speyer. Nach dem Untergang des Füstbistums riss fast jede Verbindung ab und die Rheinhäuser Fähre hatte nur noch lokale Bedeutung. Als die neue Straße nach Rheinhausen den bescheidenen Verkehr an sich zog, vereinsamte die Hammelbrücke vollends.


1606 wurde die Hammelbrücke zum ersten Male mit Steinen gewölbt. Vorher war sie wohl aus Balken gefügt. Das Ratsprotokoll meldet darüber: “Die Baumeister referieren, dass sie die Schafbrücke – das ist eigentlich der richtige Name – nicht wie von alters von Holz, sondern von Steinen zu machen verdingt und haben sie die Werkmeister anders nicht denn 150 Gulden wollen behandeln lassen”. Die städtischen Baumeister vergaben also die Brückenarbeiten an die Werkmeister um 150 Gulden. 1689, als die türmereiche Stadt in Schutt und Asche sank, scheint auch die Schafbrücke demoliert worden zu sein.
Daraufhin deutet auch folgender Vorfall: Am Himmelfahrtstag des Jahres 1714 zogen, wie seit alters her, die bischöflichen Untertanen aus dem überrheinischen Amt Philippsburg in einer Prozession zur Speyerer Bischofskirche. Damit nun die althergebrachten Rechte auch beachtet wurden, mussten jedesmal 16 bischöfliche und 16 reichsstädtische Geleitsreiter die Prozession begleiten. An diesem Himmelfahrtstag nun ritten über 50 bischöfliche Geleitsreiter mit. Außerdem waren sie, nicht wie sonst, nur mit Pistolen und Seitengewehren bewaffnet, sondern auch mit Karabinern. Die Reichsstadt Speyer stellte dagegen nur zwei Geleitsreiter. Der Hinweg verlief ohne besondere Vorkommnisse. Auf dem Rückweg aber ereignete sich dann ein bedauerlicher Zwischenfall. Dort ungefähr, wo sich heute die Rheinhäuserstraße in die alte und die neue teilt, zog die Prozession nicht wie üblich auf dem alten Weg weiter, der ßber die Hammelbrücke und an der Goldgrube vorbeizieht, sondern schlug einen Fußpfad ein, der diesen Umweg abkßrzte. Die städtischen Geleitsreiter versuchten die Prozessionsteilnehmer daran zu hindern. Es kam zu hässlichen Reden und zornigem Geschrei. Zu guter Letzt beendeten die bischöflichen Geleitsreiter den Streit dadurch, dass sie die städtischen Reiter gefangennahmen und nach Philippsburg schleppten. Daraufhin brachte der Rat zwei bischöfliche Untertanen, die er in der Stadt festnehmen ließ, ebenfalls hinter Schloss und Riegel. Diese gegenseitigen Übergriffe führten schließlich, nachdem noch andere Streitigkeiten dazugekommen waren, zu dem sogenannten “Speyerer Bauernkrieg” im Jahre 1716.
Wegen des Zwischenfalls am Himmelfahrtstag 1714 stellte sich der fürstbischöfliche Zollschreiber Lump auf den Standpunkt: “Die Prozession würde nimmermehr über die Weid gegangen sein, wenn die Schafbrücke gemacht gewesen wäre”. Trotzdem wurde aber am Zustand der Brücke kaum etwas geändert, denn einige Jahre später, 1719, sprachen die Ratsherren Büst und Meurer bei dem fürstbischöflichen Vizekanzler Streit vor und baten ihn, er möge dafür sorgen, dass die bischöflichen Untertanen, auch die fürstliche Hofkammer und das Domkapitel, nicht mehr den sogenannten Bischofsweg über die Rheinhäuser Weide benutzten und dadurch “die Weid ruinierten mögten”. Vizekanzler Streit erklärte dagegen, “dass dieses Begehren ganz billig sei, nur möge die Schafbrücke in brauchbaren Stand wieder hergestellt werden”. Auf diese Unterredung hin beschloss der Rat, “die Schafbrücke so bald als möglich zu reparieren”. Das war im April 1719.
Im August 1719 wurde schon an der Brücke gearbeitet, aber nicht so, wie es der Ratsbeauftragte Herr Schreyer gern gesehen hätte. Er gab nämlich folgendes zu Protokoll: “Dass bei Legung des Fundaments an der neuen Schafbrücke, der Bauschaffner – das war damals Christian Dathan (er war von 1710 bis zu seinem Tode im Jahre 1744 Bauschaffner der Stadt) – zwei Tage abwesend zu Roth und Altdorf gewesen, welches ihm nicht gebührt hatte. Wenn demnach die Brücke über kurz oder lang Schaden leide, wolle er entschuldigt sein. Bei dergleichen kostbarer Arbeit müsse der Bauschaffner notwendig gegenwärtig sein”. Daraufhin beschloss der Rat: “Dem Bauschaffner soll seine Nachlässigkeit verwiesen und erinnert werden, seinem Amt fleißiger abzuwarten”.

1742 wurde wieder an der Schafbrücke gearbeitet. Daran erinnert noch die über dem westlichen Durchlass eingemeißelte Jahreszahl 1742.

Das Ratsprotokoll berichtigt über diese Arbeiten: “Von wegen löblichen Bauamts zeigt Herr Altmeister Hoffmann (gemeint ist der Altbürgermeister Andreas Hoffmann) an, dass “weil nötig seie, die Schafbrücke mit einem Dol, wie vormals beschlossen worden, herzustellen, als wären zwei überschläg gemacht worden, welche er zugleich exhibierte (vorlege), da nach des Bauschaffners seinem (Überschlag) die Arbeit zu 70 bis 75 Gulden, nach des Deberts (ein Speyerer Maurermeister) seinem (Überschlag) aber zu 90 Gulden angerechnet worden”. Der Rat beschloss: “Wird die Accordierung der Arbeit löblichem Bauamt überlassen. Doch wäre wegen dermaligem großen Wasser (Hochwasser) die Sache noch zu besserer Saison auszusetzen”. Man wollte die Arbeit erst bei niedrigem Wasserstand ausgeführt haben.
Seitdem ist die Schafbrücke über zweihundertsechzig Jahre älter geworden. Des Ratsherrn Schreyer Befürchtungen, “dass sie über kurz oder lang Schaden leide”, haben sich nicht bewahrheitet.

Quelle: Beiträge zur Speyerer Stadtgeschichte Heft 1, Fritz Klotz, Stadtgeschichtliche Miszellen