Bald soll der Stadtrat entscheiden, welche Speyerer Straße oder Allee nach dem ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl benannt werden wird. Über Benennungen dieser Art wurde während der Nazi-Zeit nicht diskutiert. Falls nicht schon in jeder Stadt und in jedem größeren Dorf auf Anweisung örtlicher Parteigenossen geschehen, erging aus Berlin die Anordnung, sich auf diese Weise vom Führer „beschenken“ zu lassen. Das war in Speyer nicht anders.
In der Domstadt lag die „Adolf-Hitler-Straße“ nicht etwa im Zentrum wie anderswo zumeist, sondern am westlichen Stadtrand. Aufmüpfigkeit gegen die Reichsführung etwa? „Das Gegenteil war der Fall“ fand Ferdinand Schlickel heraus, ein auch mit der Speyerer Stadtgeschichte vertrauter früherer Journalist.
Danach hatten die Speyerer Nazis von einer Prunkallee zwischen dem Wasserturm (dort bestand bereits eine Adolf-Hitler-Straße) und der Iggelheimer Landstraße geschwärmt und diesen Plan in Berlin vorgelegt. Die NS-Führung reagierte offenbar umgehend und rekrutierte für diese künftige kilometerlange Prachtstraße, die sich zu großartigen Einzügen in die Stadtmitte eignen würde, den Namen des „Führers“.
Doch als es sich ab 1943 zeigte, dass es wohl nichts werden würde mit dem „Tausendjährigen Reich“, wurde der Plan einer Prunkallee fallen gelassen. Dafür sollte eine große Straße inmitten der Stadt den Namen Adolf Hitlers tragen.
Zunächst wurde dafür die Bahnhofstraße vorgeschlagen. „Das lehnte der damalige zweite Bürgermeister Cornelius Bechtel ab“, berichtete Schlickel. Das Argument des Bürgermeisters: „Eine Straße, die seit 1860 so heißt und zum Bahnhof führt, wird für die Bürger immer die Bahnhofstraße bleiben. Das ist nicht groß und nicht erhaben genug für den Führer“. Zusammen mit Karl Delobelle, dem NS-Aufpasser des Bürgermeisters Karl Leiling, brachte Bechtel die Wormser und die Johannesstraße ins „Adolf-Hitler-Spiel“.
Leiling sprach dagegen. Er verwies vor dem Stadtrat darauf, welche Schwierigkeiten dem Grundbuch- und Katasteramt durch die Umbenennung entstehen würden und behauptete, „das will der Führer in diesen Zeiten nicht“. Dieses Argument zog. Die Straße mit dem Namen Adolf Hitler blieb auf das relativ kurze Stück „Am Wasserturm“ beschränkt. So heißt sie wieder, seit sie – wie fünf andere Speyerer Straßen auch – nach dem Krieg „entnazifiziert“ wurde. – wk