T(h)urmuhrenfabrik Porth
Nach Auskunft der Stadtverwaltung soll Mitte August 2013 der neu gestaltete St.-Guido-Stifts-Platz wieder ganz für den Verkehr frei gegeben und am 4. September offiziell eingeweiht werden. Ein imposantes Haus am südlichen Abschluss des dortigen Gebäudeensemble steht freilich schon lange nicht mehr: Die „Thurmuhrenfabrik“ Porth, Wormser Straße 30.
Richtig gelesen – mit „h“ im Turm. Denn als der „Mechanicus und Uhrmacher“ Johann Georg Porth oder einer seiner Söhne den breiten Schriftzug quer über die Vorderseite des noch breiteren Hauses malen ließ, schrieb man Turm eben Thurm. Vor etwa 180 Jahren war das und das große, 1809/10 angelegte Areal davor hieß anfangs noch Weidenbergplatz.
Die Geschichte des Ende Dezember 1955 abgerissenen dreistöckigen Hauses mit dem gewaltigen Dach und einem Türmchen obendrauf ist auch ein Stück Speyerer Historie. Recherchen der Stadtarchivarin Katrin Hopstock und der RHEINPFALZ förderten folgende Einzelheiten zu Tage.
Am 1. Dezember 1833 verkauften Sophia Reiling und ihre Kinder einen 1818 von ihrem verstorbenen Mann erworbenen, großzügig ausgebauten, aber nicht unterkellerten Besitz samt darin untergebrachter Wirtschaft mit Tanzsaal an Johann Georg Porth (1795 – 1867). Der stammte aus dem nordpfälzischen Gaugrehweiler, hatte seinen Betrieb 1825 gegründet und war angeblich wegen des Baues der neuen, 2400 Gulden teueren neuen Domuhr nach Speyer gezogen.
Johann Georg Porth und seine jeweiligen Nachfolger – der vornamensgleicher älteste Sohn, Enkel Karl Friedrich, Urenkel Ludwig Erwin Porth – waren vielerorts tätig. Sie arbeiteten um 1830 (damals noch nicht als Speyerer) für die katholische Kirche in Otterstadt, 1860 für das Pirmasenser Kloster der Franziskanerinnen. Zwischen 1862 und 1875 fertigte die „Thurmuhrenfabrik Porth“, die einzige ihrer Art in der Pfalz, Gemeinde-Turmuhren für Hanhofen, Nieder-Ingelheim/Kreis Bingen, Gleiszellen und Gleishorbach an. Offenbar aber führte der Firmengründer auch einen anderen Geschäftszweig. Jedenfalls wird im Ortsteil Lienzingen der Stadt Mühlacker eine Feuerwehrspritze aufbewahrt, deren Sockel beschriftet ist mit „Gefertigt für die Gde. Lienzingen von Johann Georg Porth 1861“.
Ludwig Erwin Porth leitete den Betrieb von 1911 bis 1959. Er veräußerte das Anwesen an der südlichen Stirnseite des St.-Guido-Stifts-Platzes, Ecke Wormser Straße/Armbrustraße, etwa um 1922 und verlegte die Firma zwischen 1932 und 1934 in die Werkstraße. Da sein als Nachfolger vorgesehener Sohn Karl Heinz in Russland geblieben war, übernahm sein Schwager Fritz Hofmann den Traditionsbetrieb. Der bestand bis Anfang der 1970-er.
Das „Thurmuhrenfabrik“-Gebäude am St.-Guido-Stifts-Platz verfiel samt Schriftzug immer mehr. Die frühere „Tagespost“ vermeldete 1955 „vom Dach bis zum Straßenpflaster einen gefährlichen Riss durch das dicke Mauerwerk“. Passanten registrierten gelösten Verputz und herunterfallende Ziegel.
Ende Dezember 1955 wurde das in die Jahre gekommene große Haus abgerissen. An seiner Stelle entstand ein nicht minder imposantes Gebäude mit einer Autoglaserei (vorher Tankstelle), einem Geschäft für Tierfotografie nebst Kalenderverlag und Wohnungen. – Wolfgang Kauer (aus der Reihe: Stadtgeschichte(n) in der RHEINPFALZ, 2013); Bild: Frau Cantzler