Auswanderer

Meist aus zwei Gründen Speyer verlassen

Wirtschaftliche und politische Zwänge die Ursachen der Auswanderungen

Hungersnot war die Hauptursache für Massenauswanderungen, die im 17. und 18. Jahrhundert die Pfalz zu entvölkern drohten. Speyerer setzten sich meist erst später ab, auch aus wirtschaftlichen, aber auch aus politischen Gründen.

Der offenbar aus Nordfrankreich vertriebene Hugenotte Louis Bevier und die mit ihm in Speyer getraute Frau Marie Le Blanc waren die Ersten, deren Auswanderung registriert wurde. Später erreichten Heinrich Mühlberger alias Henry Mulberger als Anwalt, Bankier und Bürgermeister sowie Heinrich Hilgard, der sich als „Eisenbahnkönig“ und Millionär Henry Villard nannte, Ansehen und Wohlhabenheit, nachdem sie Speyer verlassen hatten. In seinem von der Speyerer Freiwilligenagentur „spefa“ initiierten Vortrag „Amerika ist (k)ein Schlaraffenland“ im historischen Ratsaal nannte Roland Paul, Direktor des Instituts für pfälzische Geschichte, Beispiele aus der Speyerer Auswandererszene.

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Louis Bevier und seine Frau waren 1675 mit mehreren anderen hugenottischen Familien in die englische Kolonie New York zogen. Sie gehörten zu denen, die im Tal des Hudson von Indianer ein Stück Land erwarben und die Siedlung „New Paltz“ gründeten.

Die erste Massenflucht aus der Pfalz mit etwa 15.000 Menschen über Rotterdam England und Irland in Richtung Nordamerika setzte 1709 ein. Es waren offenbar nur wenige Speyerer dabei,  denn diese Auswanderung war eine überwiegend reformiert-lutherisch-mennonitische Angelegenheit. Vorwiegend Katholiken dagegen folgten im späten 18. Jahrhundert den Einladungen von Kaiserin Maria Theresia und der Zarin Katharina der Großen zur Kolonisierung im Habsburger Reich und in Russland.

Damals suchte auch Frankreich in der Pfalz nach Auswanderern. Ziel war Cayenne in Guayana an der Nordküste von Südamerika. Die Aussicht, dort zu siedeln, entfachte in den fürstbischöflichen Speyererischen Dörfern „eine allgemeine Seuche“, wie es in einem zeitgenössischen Bericht hieß.

Die Auswanderung nach Amerika kam erste wieder nach der pfälzischen Franzosenzeit (1797 – 1814) in Gang. Um 1820 warb das unabhängig gewordene Brasilien verstärkt um Emigranten. So sehr, dass dem Werbeoffizier Georg Anton Schäffer von der in Speyer ansässigen bayerischen Pfalz-Regierung „die Arretierung“ angedroht wurde.

Das Hambacher Fest 1832 und die folgenden Unterdrückungsmaßnahmen durch den Deutschen Bund und die bayerische Regiung forcierten die Auswanderung, bzw. Flucht nach Nordamerika. Unter den Emigranten waren der Speyerer Apotheker und Burschenschaftler Friedrich Braun (New York) und die Familie Ehinger (Cleveland).

Nach dem Pfälzer Aufstand von 1848/49 folgten deren Mitbürger Ludwig Arras, Heinrich Ballreich, Philipp Bauer, Ludwig Brunner, Eduard Flory, Eduard Heeren, Nikolaus und Georg Hollhorst, Franz Kohl, Nikolaus Ruppert, Johannes Schmidlhuber, Georg Sens und Albert Zimmermann. Sie flüchteten ebenso über Frankreich und die Schweiz in die USA wie der Präsident der provisorischen Regierung der Pfalz, der Speyerer Notar Joseph Martin Reichard (ließ sich in Philadephia nieder).

Nach dem Bürgerkrieg in den USA (1861 – 1865) wanderten Karl (Charles) und Franz Helfrich aus Speyer nach Cincinnati aus, in dem dortigen Stadtteil „Over the Rhine“ wurde Franz Helfrich Gastwirt und Weinhändler. Es folgten mehrere Mitglieder der Speyerer Familie Bardua (Daniel, Margarethe, Carl).

Wie nach dem Zweiten, kamen auch nach dem Ersten Weltkrieg viele Care-Pakete nach Speyer, abgeschickt meist von ehemaligen Bürgern. Und wie später, besuchten auch nach 1918 einige früherer Domstadt-Bewohner die alte Heimat. So Katharina Becker aus Elmhurst/New York, Louis Danzel (San Franzisco), Julius Fabricius (Kingston/New York, Alfred Reeb (New Jersey). In dieser Zeit zog es aber auch einige Speyerer in die USA. So Hans und Käthe (Colchester/Connecticut), Maximilian Ebel (Boston), Maria Joos) (Chicago), Mathilde Dauenhauer (Syracuse/New York).

Die Nazi-Repressalien zwangen auch Speyerer Juden zur Flucht. Emigrieren konnten der Rechtsanwalt Wilhelm Kahn und seine Frau (Hartford/Connecticut), der Lehrer und Kantor Leo Waldbott samt Familie (Detroit), der Kaufmann Gustav Adler mit mehreren Geschwistern (New Orleans), der Musiker Dr. Karl Haas, der in Detroit eine populäre Radiosendung moderierte und Alfred Cahn. Er machte Karriere als Musikdirektor und Komponist. Cahn besuchte 2000 seine alte Heimat, eingeladen von der Stadt Speyer und dem Historischen Verein der Pfalz.

Wieviel Speyerer ihre Heimat nach dem 2. Weltkrieg in Richtung Ausland  verlassen haben und wohin sie auswanderten, erschließt sich nur unvollständig. Zum einen führt die Stadt nach Auskunft ihrer Pressestelle darüber nicht Buch und verweist an das Statistische Landesamt Rheinland-Pfalz. Das teilt mit, darüber erst seit 2000 die Benachrichtigungen darüber computermäßig so erfasst zu haben, dass sie ohne große Mühe mitgeteilt werden können. Allerdings sei nicht vermerkt, ob es sich bei den Abmeldungen um Auswanderungen oder länger-, bzw. kurzfristige Wegzüge handele.

Somit ergibt sich: In den zwölf Jahren zwischen 2000 und 2011 meldeten sich  insgesamt 1285 Deutsche aus der Domstadt für einen ständigen oder zeitlich begrenzten Aufenthalt im Ausland ab. Der Spitzenwert wurde 2003 mit 190 Wegzügen registriert. Bevorzugtes Ziel in diesen Jahren war Kanada mit 169 Vermerken vor der Schweiz (116), den USA (102) und Frankreich (71).

Ziele mit unbekannter Dauer für jeweils einen oder eine Deutsche aus Speyer waren in diesen zwölf Jahren die Slowakei, Kasachstan, Iran, Saudi-Arabien, Kuwait, Pakistan, Myanmar, Taiwan, Kuba, Costa Rica, Antigua&Barbuda und Uruguay.  – Wolfgang Kauer (aus der Reihe: Stadtgeschichte(n) in der RHEINPFALZ, 2013), Bild: wikipedia (Henry Villard)

 

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