Das handbetriebene Karussell

De Sauers Ferdnand“  war Besitzer einer „Reitschul“ und ein Speyerer Original

Klein von Gestalt, doch als Schlitzohr groß war ein Original, dessen namentliche Erwähnung bei älteren Speyerern noch heute eine Mischung von Staunen, Schmunzeln und Mitleid auslöst. Besonders zu den Zeiten der Frühjahrs- und Herbstmessen erinnern sich noch manche Leute an „de Sauers Ferdnand“.

Denn Ferdinand Sauer (1876 – 1956) ist vorwiegend als Besitzer einer „Reitschul“ bekannt geworden, und zwar einer von Hand betriebenen. Bewegte sich die von ihm in Anmeldungen an Behörden als „Kinderkettenfliegerkarussell“ beschriebene Gerätschaft nämlich nur dann, wenn sie von ein paar Schulbuben in Gang gesetzt wurde. Für einige Pfennige kurzfristig engagiert, hatten sie sich im „Obergeschoß“ des Karussells gegen Querbalken zu stemmen und sie so lange im Kreis zu drücken, bis es dem Besitzer für eine Tour genug dünkte.

Gelegentlich pries er seine „Reitschul“ schriftlich als „beliebt und einzigartig“ an. Und versah zum Beispiel im Juli 1947 die Bewerbung für die Kerwe in Duttweiler mit dem Hinweis, „das bei Alt und Jung unermessliche Freude auslösende Karussell“ solle von der Gemeinde selbst aufgestellt und von zwei bis vier Mann bewacht werden.

Mit „Ferdi Sauer, Diplom-Dolmetscher, staatlich geprüfter Baader und Friseurmeister, anerkannter Hundetrimmer“ schloss er – neben dem nochmaligen Hinweis auf sein Karussell  – den besagten Brief. „Er ist charakteristisch dafür, wie Sauer es verstand, Briefe zu schreiben“ heißt es dazu in einem 1983 in den Vierteljahresheften des Verkehrsvereins erschienenen Beitrag über das Speyerer Original.

Ziemlich beschönigt zwar, doch im Grunde nicht geschwindelt war die Schlussanmerkung dieses Schreibens, in dem er zudem noch „ein kräftiges Mittagessen mit reichlich Fleisch und Naturwein, Nachmittagskaffee mit Milch und Sahne und Abendessen“ verlangte.

Denn der ab seinem achten Lebensjahr ohne Mutter (gestorben) und meist ohne Vater (als Wanderbarbier unterwegs) aufgewachsene Ferdinand Sauer hatte in der Tat Friseur gelernt. Den  „Diplom-Dolmetscher“ bezog der zeitweise Speyerer „Ortsarme“ auf das Französisch, das er bei der Fremdenlegion gelernt hatte. Und als Hundetrimmer versuchte er sich,  weil sein Einkommen als Inhaber von nacheinander sechs Friseurläden in Speyer nicht ausreichte. Das mit dem „Baader“ bezog er vermutlich darauf, dass er zeitweise auch als „Heilgehilfe“ zu ein wenig Geld kommen wollte. Der in seinen älteren Jahren meist mit Hut, Zwicker und in einem abgeschabten Gehrock erscheinende schnauzbärtige „Sauers Ferdnand“ kam 1905 zu seiner ersten  „Reitschul“, vermutlich dank seiner zweiten Frau.

Ferdinand Sauer war dreimal verheiratet und hatte insgesamt fünf Kinder. Die Stadt Speyer verdankte ihm über 60 Jahre hinweg eine Menge Bittbriefe, in denen sich „Untertänigkeit“, Forderungen, Drohungen, Beschimpfungen und Entschuldigungen abwechselten und die in ihrem Formulierungen verblüfften. – Wolfgang Kauer (aus der Reihe: Stadtgeschichte(n) in der RHEINPFALZ, 2014)

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