Als Speyer am Boden zerstört war

STADTGESCHICHTE(N): Am 31. Mai 1689 ließ Sonnenkönig Ludwig XIV. die Stadt niederbrennen

Als Speyer vor 325 Jahren zum drittenmal nach den Alamannen-Überfällen im dritten und fünften Jahrhundert n. Chr. zerstört worden war, schien es eine Verwüstung für immer. Doch zehn Jahre nach der auf Befehl von Ludwig XIV., König von Frankreich und Navarra, am 31. Mai 1689 niedergebrannten Stadt und der Flucht ihrer Bewohner kehrten die ersten Speyerer zurück.

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Die Speyerer Mai-Katastrophe ist nicht exakt darzustellen. Schilderungen fußen auf Erinnerungen, geschrieben von Leuten, die keine Zeugen der Vorgänge waren. Realistisch, wenn auch im Zeitstil weitschweifig, sind die Aufzeichnungen des vermutlich aus dem heute wallonischen Teil Belgiens stammenden Du Mont (Vorname nicht überliefert). Mit Duldung der Heeresleitung berichtete er wahrscheinlich für das Verlagsunternehmen Etienne Foulque & Francois L’Honoré über die Schauplätze des Pfälzischen Erbfolgekriegs, auch Orleanscher Krieg genannt, in Speyer, der Pfalz und Baden.

Ursprung 1685

Die Zerstörung Speyers hatte ihren Ursprung im Jahr 1685. Da starb Kurfürst Karl von der Pfalz, was Ludwig XIV. veranlasste, für seine Schwägerin Elisabeth Charlotte, die Lieselotte von der Pfalz, Gebietsansprüche im Pfälzischen zu erheben. Es wurde lange, aber ergebnislos verhandelt, und am 28. September 1688 zogen 14 französische Reiterkompanien in Speyer ein.

Im Februar 1689 begannen die Franzosen, mit Hilfe von dazu gezwungenen Einheimischen, mehrere Stadtmauern und -türme abzureißen, Zugbrücken abzuschlagen, Stadtgräben aufzufüllen. Den Speyerer schwante Schlimmes. Sie sollten Recht behalten: Am 23. Mai wurde die Evakuierung der Stadt verkündet, gleichzeitig jedoch versichert, sie würde keinesfalls „verbrennet“. Aber vier Tage später verkündete General Montclar den Befehl aus Paris, außer dem Dom die ganze Stadt samt Kirchen und Klöstern in Brand zu stecken.

Nach Recherchen des Heimatforschers Fritz Klotz begannen damit 24 Soldaten am späten Nachmittag des 31. Mai, dem Dienstag nach Pfingsten, in der Nähe des Weidenbergs. Weil es windstill war, setzte sich der Brand nur langsam fort, erreichte aber schon am Morgen des 1. Juni die Roßmarktstraße und die Stuhlbrudergasse. Um den nahen Dom zu schützen, wurden die Dächer angrenzender Gebäude abgerissen und Wasserbehälter bereitgestellt.

Ab ein in der Nacht zum 2. Juni aufkommender Gewittersturm entfachte das Feuer zusätzlich. Bald brannten die Häuser in der Herdstraße, in der Pfaffengasse, dann stoben Funken auf den Dom und wenig später brannte dessen Langhausdach. Gewölbe brachen ein, Altäre, Gestühl und alles, was die Bürger und die Geistlichkeit an Mobilar im Dom-innern untergestellt hatte, wurde vernichtet.

Unversehrt blieben das Altpörtel, die Gilgenvorstadt, die zu Militärlazaretten umfunktionierten Klöster der Karmeliter und Kapuziner und im Weste das St. Klarakloster. Das bereits zur Sprengung vorbereitete Altpörtel wurde verschont, nachdem die Klosterbrüder kniefällig darum baten. Außerdem hatte der die Stadtzerstörung beobachtende Marschall Duras in dem Altpörtel-nahen Karmeliterkoster Quartier bezogen.

Die Bilanz der Schreckenstage: In Trümmern lagen 788 Bürgerhäuser, 23 städtische Gebäude, darunter der Ratshof (Stätte von über 50 Reichstagen), 14 Zunftstuben, die Stifte am Dom, St. Guido, St. Allerheiligen und St. German, fünf Klöster, acht Kirchen und 14 Kapellen. Der Dom war teilweise zerstört.

Einst 76 Türme

Mit der Zerstörung der im 17. Jahrhundert etwa 6000 Einwohner zählenden Stadt vollendeten die Soldaten des Sonnenkönigs, was im Dreißigjährigen Krieg und den folgenden Auseinandersetzungen zwischen Franzosen, Schweden, Spaniern, den protestantischen Unionstruppen des Grafen von Mansfeld und den katholischen Kaiserlichen des Feldmarschalls Tilly begonnen hatte. Nach Pfingsten 1689 vernichteten französische Pioniere wochenlang alle vom Brand nicht oder nicht ganz zerstörten Häuser, rissen Ruinen ab und schlugen Keller ein. Bis Ende 1697 verhinderten Wachen das Betreten des Trümmerfeldes. Während etwa zehn Jahren verrotteten die Reste vollends, dann durften sich Rückkehrer und Zuwanderer an den Wiederaufbau machen. Beim Schleifen der Stadtmauern – auch die vier Außenbezirke Gilgen-Vorstadt, Altspeier, Vorstadt über dem Hasenpfuhl und Fischer-Vorstadt waren ummauert – zerstört wurden 76 Türme, davon 22 im Stadtkern. Manche Türme wurden noch im 19. Jahrhundert abgebaut. – Wolfgang Kauer, aus der Reihe Stadtgeschite(n) in der RHEINPFALZ, 2014, Bild: Vidmayer

 

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