Herrscherin des alten Marktplatzes

„Alt‘ Münz“ und ehemaliges Kaufhaus – Nach Stadtbrand gebaut und 1749 bezogen

Auf ihrer Webseite stellt die Speyerer Stadtverwaltung  zehn bauliche Sehenswürdigkeiten der Domstadt vor. Dazu gehört die „Alt‘ Münz“. Als Kaufhaus vor 265 Jahren wieder errichtet, beherrscht das mächtige Gebäude in der Nachbarschaft zum Stadthaus den früheren Markplatz.

„Das Bauwerk ist über seine bau- und stadtgeschichtliche Bedeutung hinaus als Gestalt gebender Mittelpunkt in der  Maximilianstraße von hohem städtebaulichen Rang“ heißt es in „Die Kunstdenkmäler der Pfalz“ von Bernhard H. Röttger. Mindestens genau so oft wie das Haus selbst fotografieren Touristen eine Tafel über einem der zwei Toreingänge über den Arkaden. Denn die Inschrift gewährt einen kurzen Einblick in die wechselvolle Geschichte der Stadt.

Auf der 1852 angebrachten Tafel steht: „Hier stand die Münz, in  uralten Zeiten das Genossenschaftshaus der Münzer und Hausgenossen weiland der reichstädtischen Patrizier, von 1289 bis 1340 zu Rathversammlungen verwendet, zerstört 1689, an des alten Gebäudes Stelle ward erbaut das Kaufhaus 1748“. Die letzte Jahreszahl irritiert, denn sie bezieht sich auf den Baubeginn. Bezugsfertig war das Haus erst 1749.

Das ist die Kurzfassung einer interessanten Vergangenheit, die einiges vom frühen Speyerer Wirtschaftsleben offenbart. Denn dank königlicher Freibriefe und anderer Privilegien hatten die Speyerer Kaufleute viele Rechte. Unter anderem mussten alle auf dem Land- und Wasserweg an der Stadt vorbeiführten Waren zunächst einmal auf Stapelplätzen am Rhein und seinen Seitenarmen sowie in Kaufhäusern wie in der Hundsgasse (Gutenbergstraße) und an der Ecke der heutigen Juden- und Pfaffengasse angeboten werden.

Wie der Speyerer Kleinverleger Hermann G. Klein in einem Beitrag der Vierteljahreshefte des Verkehrsvereins darlegte, „trug sich der Rat der Stadt 1723 mit dem Gedanken, an Stelle des baufälligen alten Kaufhauses am Altpörtel“ (wohl an der Ecke zur heutigen Gutenbergstraße) ein neues Kaufhaus bauen zu lassen. Das aber haute nicht hin. Weil „das gemeine Wesen nicht mit Geld bespannt war“ – das Stadtsäckel war ziemlich geschrumpft, der vorsorglich erstellte Bauplan des  Bauschaffners (städtischen Architekten) Christian Dathan damit hinfällig.

So dauerte bis 1748. Dann wurde der Platz der beim großen Stadtbrand 1689 schwer in Mitleidenschaft gezogenen „Münz“ für den Bau eines neuen Kaufhauses gewählt. Wer den Auftrag dazu erhielt, war lange nicht klar. Erst wurde  der kurpfälzische Hofbaumeister Sigismund Zeller genannt, dann stellt es sich heraus, da der 1746 neu eingestellt Johann Georg Pallant der  Bauschaffner war.

Die Bauarbeiten jedenfalls gingen flott voran. Unfreiwillige Helfer waren einige Metzgerknechte, die aus heute unbekanntem Grund zu öffentlichen Arbeiten verurteilt worden waren.

Bezogen wurde das zunächst zweigeschossige Kaufhaus am 10. September 1749. Als die Pfalz 1798 französisch wurde, verlor es seine Bedeutung als Mittelpunkt des Speyerer Handels. Das nunmehr alte, das heißt ehemalige Kaufhaus bekam nun wechselweise anderweitige Bedeutung. Als Gewerbeschule, Friedensgericht und Amt für die städtische Waage. Später zog das Oberpostamt für die Pfalz ein.

Erst 1874 erhielt das Haus die heute bekannte Gestalt: Der städtische Baumeister Heinrich Jester stockte es um eine Etage auf. Was auf Kosten eines bildhauerischen Meisterwerks ging: Die 1748 auf Vinzenz Möhring geschaffene Fortuna musste weichen, die Statue steht heute im Historischen Museum. Der Umbau schaffte Raum für (1902) die Polizei im Erdgeschoß, die Stadtkasse im ersten und eine Frauenarbeitsschule im zweiten Obergeschoss. Später zogen die Stadtsparkasse, das Stadtbauamt und die Kfz-Zulassungsstelle ein. Heute sind in die Stadtkämmerei und – im Erdgeschoss – drei Ladengeschäfte untergebracht.

Aufgefrischt wurde die „Alte Münz“ in den Jahren 2001 und 2002. Der damalige Oberbürgermeister Werner Schineller freute sich: „Die Sanierung lässt die Pfeilerarkaden, die Sandsteingliederung im klassischen Formenkanon und die Hauptfassade mit ihrem klassischen Rollwerkgiebel und ihren Bildhauerarbeiten mit Figuren von Gottfried Renn und Johann Schäfer wieder zur Geltung kommen.“

Was selbst manche Speyerer nicht wissen: Das prächtige Haus hat auch eine „Unterwelt“. Eine ziemlich feuchte. Fließt doch unter der „Alten Münz“ der kanalisierte Speyerbach durch – in Richtung Hasenpfuhl. Dort vereinigt er sich mit dem zum Nonnenbach gewordenen Woogbach und fließt nun zum Rhein. – Wolfgang Kauer/DIE RHEINPFALZ 2014

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