STADTGESCHICHTE(N): 1997 erschient das letzte von 40 Adressbüchern – Erste Ausgabe 1868/69
Den Auswirkungen des Datenschutz-Gesetzes verdankt Speyer das Fehlen eines über 100 Jahre lang geschätzten Nachschlagewerks „Adressbuch“. Das Letzte kam 1997 heraus, 39 Bände waren seit 1868/69 vorangegangen. Das Stadtarchiv verwahrt die außerhalb der Kriegszeiten meist im Abstand von zwei bis vier Jahren erschienenen über jeweils 100 bis 250 Seiten dicken Bücher in den Formaten DIN A 5 und DIN A 4.
Die Beliebtheit der Adressbücher erklärt sich zum einen mit der Neugier ihrer Leser. Zum anderen mit dem Vorteil, bei Namens- oder Straßenkenntnis umgehend Anschriften zu erfahren, auch von Behörden, kulturellen Einrichtungen und Vereinen, dazu weiteres Wissenswertes über die Stadt. Sehr willkommen waren diese Bücher auch für die Familienforschung.
Als 1950 das erste Adressbuch nach dem Zweiten Weltkrieg herauskam (mit einem mehrseitigen geschichtlichen Abriss über die Stadt), schrieben Oberbürgermeister Dr. Paulus Skopp und Landrat Emil Mölter im Vorwort:
„Durch die Ereignisse der vergangenen Jahre ist das 1938/39 zum letzten Mal erschienene ‚Einwohnerbuch der Stadt Speyer‘ völlig überholt. Nach Eintritt einer gewissen Stabilisierung hat sich der Mangel eines dem gegenwärtigen Stand entsprechenden Adressbuches immer stärker geltend gemacht. Um diese Lücke zu schließen, haben sich die Herausgeber nicht nur darauf beschränkt, ein neues Werk für die Stadt Speyer zusammenzustellen, sondern sie übergeben der Öffentlichkeit ein auf den Landkreis erweitertes ,Adressbuch für die Stadt und den Landkreis Speyer'“.
Der Landkreis Speyer umfasste die neun Gemeinden Schifferstadt, Waldsee, Otterstadt, Dudenhofen, Hanhofen, Harthausen, Berghausen, Heiligenstein und Mechtersheim. Er ging am 7.Juni 1969 im Landkreis Ludwigshafen auf, der seit 2005 Rhein-Pfalz-Kreis heißt.
„Abel, Adam, Militärpensionär, halbes Dach 14“ und „Zwickh, Johann Nepomuk, königlicher Hauptzollamtsverwalter, Herdgasse 22“ standen als erster und letzter Name im alphabetisch geordneten Anschriftenverzeichnis der Premieren-Ausgabe 1868/69. Es folgte das gleiche, geordnet nach den damals 131 Straßen und Gassen. Vor den 38 Seiten mit Werbeanzeigen von Geschäftsleuten standen Verzeichnisse von Behörden, Militärs und Kirchen, bei den jeweiligen Amtshöchsten mit Angabe sämtlicher Auszeichnungen.
Unter dem „Verzeichnis der Gewerbetreibenden“ – von Apotheker bis Zündholzhändler – finden sich Berufsangaben, die es längst nicht mehr gibt und zum Teil nicht mehr bekannt sind. Ein Auswahl davon: Bändelkrämer (es sind drei angeführt), Feilenhauer (2), Hafner (6), Kammmacher (2), Kübler (6), Lohnkutscher (8), Lumpenhändler (4), Mehlstaubhändler (1; nicht Mehlhändler, von denen sind sieben erwähnt), Peitschenstielmacher (1), Posamentierer (2), Pulver- und Viktualienhändler (1), Viktualienhändler und Höcker (1), Schlauchweber (1), Schuhflicker (19; nicht Schuhmacher, von denen es gleich 98 gab), Tuchscherer (1) Wachsfigurenkabinettbetreiber (1), Wasenmeister (2).
Mit Anschriften versehen sind auch die Sparten „Botendienst“ und „Herbergen für Handwerksgesellen“. Von den Letztgenannten gab es zwei. In ihnen durfte nur nach Berufsstand genächtigt werden. So war der „Römische Kaiser“, Hundsgasse 14 (später Gutenbergstraße) Zimmerleuten, Maurern, Schuhmachern, Badern und Sattlern vorbehalten, der „Römer“, Wormser Straße 47, Schreinern, Schlossern, Schneidern, Drehern, Wagnern, Hufschmieden, Bierbrauern und Leinewebern.
Unter „Botendienst“ genannt sind eine Vielzahl von Männern und Frauen. Sie transportierten ein- oder mehrmals in der Woche zu Pferd, im Fuhrwerk, in Kutschen oder auch mit der Eisenbahn überwiegend Briefe und Päckchen von Speyer aus in 44 Orte der näheren und weiteren Umgebung und gaben sie dort wohl an Sammelstellen ab.
Den Adressbüchern in Deutschland voraus gingen Hof- und Staatskalender mit Angaben über „wichtige Funktionsträger einer Gebietskörperschaft“ , wie es Wikipedia nennt. Das erste deutsche Adressbuch war betitelt als „Das ietztlebende Leipzig“. Es erschien 1701 und war dem ersten Adressbuch von Paris (1692) und dem Londoner „Little Directory“ von 1677 nachempfunden. In den folgenden Jahren erschienen Adressbücher in Berlin, Köln, Lübeck, Dresden, Königsberg und Frankfurt/Oder.
Bei Wikipedia heißt es: “ Da der Buchverkauf die hohen Herstellungskosten – insbesondere nach der Aufnahme aller Handels- und Gewerbetreibenden – nicht deckte, kam man schnell auf Idee, mehr und mehr bezahlte Anzeigen aufzunehmen und später auch Fettdruckzeilen und Zusatzeinträge zu verkaufen. Diese Neuerung wurde bald auch in zahlreichen anderen Adressbüchern übernommen, sodass sich hier die ersten tatsächlichen Branchenverzeichnisse entwickelten“ (wk/Die Rheinpfalz)
Hier finden Sie 7 Ausgaben Speyerer Adressbücher volldigitalisiert: Landesbibliothek