Hochwasser 1955: Bei einem Rhein-Pegel von 8,67 m Teile von Speyer unter Land – Internationale Hilfe
Vater Rhein gebärdet sich immer wieder einmal wild, aber derzeit bleibt er brav in seinem Bett. Der Speyerer Pegel zeigt Mittelwasser an, das sind nicht ganz vier Meter. Das war vor 60 Jahren anders die Stadt stand kurz vor einer Katastrophe.
Plötzliches Tauwetter und starker Regen hatten die von Main und Neckar geführten Wassermassen den Rhein bis südlich Speyer gestaut. Dazu kamen die von einem Orkan begleitetem, geradezu gewaltigen Niederschläge im Schwarzwald. Der Strompegel stieg über 8,55 m auf 8,67 m, Teile des Hasenpfuhls und andere niedrig gelegene Stadtgebiete waren überflutet. In der Nacht vom 16. auf 17. Januar 1955 rief Oberbürgermeister Paulus Skopp den öffentlichen Notstand aus.
Der wurde mit Sirenengeheul angekündigt und über Lautsprecherwagen verkündet. In Band III der „Geschichte der Stadt Speyer“ wird Skopps „polizeiliche Anordnung“ so wiedergegeben: „Zur Abwendung der durch das Hochwasser der Bevölkerung der Stadt Speyer drohenden Gefahren ordne ich den sofortigen Einsatz aller über 18 Jahre alten arbeitsfähigen Männer der Stadt an“. Das führte unter anderem dazu, dass Aniliner am frühen Morgen am Bahnhof abgefangen wurden. Sie hatte sich umgehend ins „Notstand-Hauptquartier“ der Stadtverwaltung zu begeben.
Das befand sich im städtischen Tiefbaulager am „Heringsee“. Dort wurde Hunderte von Helfern in ihre Rettungsvorsorge-Arbeiten eingewiesen. Ebenso auswärtige Feuerwehrleute, die mit Spezialwagen, Schlauchmaterial und Sandsäcken angerückt waren. Angehörige der amerikanischen und französischen Streitkräfte sowie des aus Ausländern bestehenden US-Labor-Service wurden mit den Gegebenheiten Speyers und seiner Umgebung vertraut gemacht (die Bundeswehr bestand damals noch nicht). Ortskundige leiteten die Soldaten mit ihren Amphibienfahrzeugen und Motor-Lastkähnen zu den gefährdeten Stellen.
In einer städtischen Statistik heißt es zu den Merkmalen der Rettungsarbeiten und ihren Auswirkungen: Kontrolle der Hauptrheindämme auf undichte Stellen und drohende Unterspülung; Abfüllen von 25.000 Sandsäcken; Evakuierung von etwa 100 Personen aus besonders gefährdeten Straßen; Einrichtung von Notunterkünften in Schulen; auf Kähnen Versorgung der Bevölkerung mit warmen Speisen und Getränken in unzugänglichen Wohnungen; Versorgung der zahllosen Helfer aus Gulaschkanonen; Aufruf zu Spenden und Einrichtung eines Spendenkontos.
Der Höchststand von 8,67 m hielt bis zum Tageswechsel 17./18. Januar 1955, dann ging das Hochwasser langsam zurück. Am 20. Januar sank der Rheinpegel unter acht Meter, der Hasenpfuhl war am Nachmittag völlig hochwasserfrei und am 21. Januar wurde der Notstand aufgehoben.
Die Beinahe-Katastrophe verursachte laut städtischer Statistik einen Gesamtschaden zwischen 250.000 und 300.000 Mark. 650 Haushalte wurden in Mitleidenschaft gezogen. Ob Personen verletzt wurden, blieb unbekannt. Dagegen vermerkt wird: „Zur Bilanz gehört auch das kameradschaftliche Miteinander von Franzosen, Amerikanern und Deutschen – nicht einmal zehn Jahre nach Kriegsende“.
Voraussage nicht möglich
Die 8,67 Meter vom Januar 1955 waren der höchste Rhein-Wasserstand des 20. und 21. Jahrhunderts. Nach Auskunft von Jens Abendroth, Leiter des Außenbezirks Speyer des Wasser- und Schifffahrtsamtes Mannheim, wurde am 4. Juni 2013 mit 8,34 m seit den 8,55 m im Mai 1999 der höchste Pegelstand erreicht.
Die Frage nach der Möglichkeit eines Hochwassers 2015 beantworte Abendroth so: „Das ist abhängig von Niederschlägen in den nördlichen Alpen, in den Vogesen und im Schwarwald“. Eine Voraussage sei daher nicht möglich.
Abgesehen von den nicht exakt aktenkundig gemachten Hochwassern vergangener Jahrhunderte mit manchmal verheerenden Folgen für Menschen, Tiere und bestellte Felder hatte der Rhein zum Jahresende 1882 seinen Pegel-Spitzenwert erreicht. Das waren nach Auskunft der Hydrologischen Abteilung des für Speyer zuständigen Wasser- und Schifffahrtamtes Mannheim 8,82 Meter. (wk/Die Rheinpfalz)