Als es in Speyer noch „Radfahrkarten“ gab
Rund 72 Millionen Fahrräder gab es Ende 2015 nach Angaben des Fachblatts „Fahrradwelt“ in Deutschland, etwa 50.000 in Speyer. Vor 100 Jahren waren es nicht ganz 1500 in der königlich-bayerischen Kreishauptstadt der Pfalz. Doch anders als heute verdiente der Stadt einiges Geld damit. Die 1900 auch im Königreich Bayern eingeführte „Radfahrkarte“ war nämlich auch eine kleine Steuerkarte.
Als sich der Mechaniker Georg Theodor Stiller 1904 mit einer Fahrrad-Werkstatt selbständig machte, benötigt er schon von Berufs wegen eine Radfahrkarte. Sein Nachfahre Gerhard Stiller hat zwei davon im Nachlass gefunden. Von der Speyerer Ortspolizeibehörde waren sie am 30 Dezember 1909 und am 7. April 1910 ausgestellt und abgestempelt. Wie viel die Stadt Speyer mit diesen Radfahrkarten einnahm, ist nicht überliefert.
Der so genannte Führerschein für Fahrrad-Benutzer war jedes Jahr neu zu beantragen. die Karten unterschied sich in deutschen Landen etwas, Bayern verzichtete zum Beispiel im Gegensatz zu Preußen auf die Straßenbenennung und Angaben über Statur, Haare und besondere Kennzeichen des Inhabers.
Der Fahrrad-Verkehr war auch in Speyer streng geregelt, das Nichtbefolgen der Anordnung der „Wegepolizeibehörde“ konnte mit der gewaltigen Summe von 60 Mark bestraft werden, „im Unvermögensfalle“ mit Haft. Zusatzbemerkung: „Zur Kenntlichmachung eines Polizeibeamten war das Tragen einer Dienstmütze ausreichend. Nach seinem Halteruf war jeder Radfahrer verpflichtet, sofort anzuhalten und abzusteigen“.
Weil es damals nur wenige Autos gab, hatte der Radfahrer sein Augenmerk hauptsächlich auf Fuhrwerke, Vieh und Militärmarschkolonnen zu richten. Anmerkung: „Mit dem Fahrrad-Glockenzeichen ist sofort aufzuhören, wenn dadurch Pferde oder andere Tiere unruhig werden“.
An Fuhrwerken, Reitern, Viehtransporten, Fußgängern und auch Kraftfahrzeugen war links vorbeizufahren. Und zwar so, dass Unfälle oder Störungen vermieden wurden. Zudem „darf innerhalb geschlossener Ortsteile nur mit mäßiger Geschwindigkeit gefahren werden. Wettrennen sind verboten, „Ausnahmen sind zu genehmigen“. Und „Beim Bergabfahren ist es verboten, beide Hände gleichzeitig von der Lenkstange zu nehmen und beide Füße von den Pedalen“. (wk)