Cholera rafft über 200 Speyerer hinweg

Letzte große Epidemie vor 140 Jahren – Auch in Waldsee Tote

Fünf Tage, nachdem er ins Hospital gebracht worden war, starb der Maurer Bummier. Das war am 25. August 1873. Der 42-jährige Familienvater war das erste Opfer der letzten großen in Speyer wütenden Epidemie: Die Cholera vor 140 Jahren forderte in der 13.000 Einwohner zählenden Stadt innerhalb von nicht ganz drei Monaten 202 Tote.

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Seuchen hatten Speyer im ausgehenden Mittelalter öfter heimgesucht. Vor allem fehlende Hygiene im Trinkwasser, bei der Nahrung und in Unterkünften sowie Unrat in den Gassen sollen zwischen 1314 und 1574 Tausenden das Leben gekostet haben – als Folgen von „Pestilentz“, womit die Pest und wohl auch die Cholera gemeint waren. Die war auch 1866 in Speyer aufgetreten, allerdings nur vereinzelt.

Vor 140 Jahren wütete die schwere Darmerkrankung vor allem dort, wo es arme Speyerer gab: In den Gebieten der Lauergasse, Halbes Dach, Stüber-, Steinmetz-, Mehl- und Mörschgasse, Armbrustraße, wo meist Tagelöhner und ihre Familien oft auf kleinstem Wohnraum zusammengedrängt hausten. Aber auch anderswo gab es Cholerafälle, unter anderem in der heutigen Karmeliterstraße. Insgesamt erkrankten 418 Speyerer, in Waldsee starben zwei Männer daran.

„Die Cholera in Speyer und Waldsee 1873“ heißt ein Beitrag von Bernhard Kukatzki, in dem der Schifferstadter Historiker auch schildert, wie die „asiatische Brechruhr“ an den Rhein gelangte. Ursprünglich auf Südostasien beschränkt, war die Cholera in jenem Jahr in Ungarn aufgetreten und bewegte sich über Wien und München bis nach Speyer als ihrem „letzten westlichen Ausläufer“ vor.

Für Speyer hatte die Epidemie auch insofern Folgen, als sie auch eine wirtschaftliche Krise nach sich zog. In dem erwähnten Beitrag heißt es dazu: „Von Ende August an, als das Auftreten der Seuche in Speyer durch öffentliche  Blätter bekannt wurde, vermied man sofort den Besuch der Stadt. Der Fremdenverkehr, sonst im September am lebhaftesten währen des ganzen Jahres, hörte bald auf, anfangs erschienen noch Geschäftsreisende. Als aber von Mitte September an die Krankheit zunahm, war die Verödung der Stadt vollständig“.

Wer von den Speyerer Bürgern es sich leisten konnte, sei geflohen. Sie hätten aber „auswärts nicht immer willige Aufnahme“ gefunden und waren „zum Teil gezwungen, ihre Heimat zu verleugnen“. Auch die Ausfuhr von Speyerer Waren habe aufgehört, „selbst bereits erhaltene wurden zurückgesandt, Bestellungen telegraphisch zurückgenommen“. Auch die drei Wochenmärkte seien schwach beschickt gewesen.

Die Ärzte Joseph von Heine und Friedrich August Mühlhäuser suchten nach den Gründen der Cholera-Epidemie in Speyer. Sie kamen zu der Erkenntnis, dass Ess- und Trinkmöglichkeiten des armen Bevölkerungsteils nicht die Auslöser gewesen sein können, wenngleich sie „durch hohe Preise der ersten Lebensbedürfnisse in Ernährung und Körperkraft etwas zurückgehalten wird“. Die Empfehlung der Mediziner: Verbesserung der hygienischen Verhältnisse. – Wolfgang Kauer (aus der Reihe: Stadtgeschichte(n) in der RHEINPFALZ, 2013), Bild: wikipedia