Überblick und System für die Turmnamen der Innenstadt

Bei den 22 Namen für die Innentürme können wir unterscheiden nach

  • Nachbarschaft von Kirchen (Heiligennamen),
  • einem bürgerlichen Nachbarn,
  • der Lage,
  • Geschichte, Funktion, Aussehen,
  • einer Zunft oder Personengruppe (Juden).

Bei fünf Türmen waren neuere Zunftnamen gegen die Heiligen- und Personennamen entweder gar nicht (Eyrich, St.Guido, St. Nikolaus) oder nur teilweise angekommen (Uto, Alle Heiligen). Dass außerdem der Rote Turm nicht zum Weberturm wurde, zeigt, wie alt und angepasst der Name war.

In den Zunftlisten von 1327, 1352, 1377, 1432, 1514, 1553 und im Inventar von 1611 wechseln Zünfte immer wieder ihre Plätze; bei dem Bürgerstolz der damaligen Zeit war die Platznummer keineswegs beliebt, sondern Abbild des zahlen- oder umsatzmäßigen Ranges. Beim Vergleich dieser Listen mit den acht zunftabhängigen Turmnamen zeigt sich zunächst keinerlei Kongruenz. Natürlich ist auch nicht zu erwarten, dass die erste Türmung der Zünfte, die Christoph Lehmann für das Jahr 1470 meldet, mit dem Altpörtel begonnen hätte und im Uhrzeigersinn fortgeschritten wäre, wie unsere Liste der 22 Innenstadttürme.

Innenstadttürme

Man hat also irgendwann die Zünfte auf die Turmreihe verteilt, in Reihenfolge der in diesem Jahre X gerade gültigen Rangliste. Bei acht Türmen wurde die Verteilung des Jahres X namensbildend, bei anderen kennen wir die Türmung für das Jahr 1611 und nehmen an, dass sie auch im Jahre X so war. Finden wir den richtigen Anfang, so können wir umgekehrt aus unserer Reihe der 22 Turmnamen die im Jahre X gerade gültige Zunftliste abgreifen.

Am Weidenpörtel begann die Zuweisung. Eine Reihe von Zünften schied dabei aber von vornherein aus; sie waren schon gesetzt. Zünfte, die sich aus einem Stadtviertel benannten, blieben bei ihrem „Haus-Turm“, also die Lauer beim Lauerturm, die Salzgässler beim Salzturm. Ähnliches galt auch für die Vorstädte; ihre Zünfte waren im Alarmfall dorthin ausgesperrt, also die Gärtner (Gilgenvorstadt), Altspeyerer, Hasenpfühler, Fischer (Marxenvortsadt). Ein Sonderfall war der Armbrusterturm, wo der städtische Zeugmeister saß. Hier dürften die Münzer und Hausgenossen ein Vorrecht aus der Zeit vor 1349 beibehalten haben, als sie noch allein das Stadtregiment innehatten und nicht nur die Nummer eins unter 13 anderen Zünften waren.

Gehen wir also, diesmal entgegen des Uhrzeigersinns, die Türme der Innenstadt vom Weidenpörtel ab durch:

Tabelle Tuerme

 

Bei der Schneiderzunft können wir annehmen, sie sei ursprünglich ans Neupörtel getürmt worden. Später muss sich die Ordnung geändert haben; 1611 jedenfalls waren die Schneider dem Nikolausturm zugeordnet. Den hatte man wohl zunächst ebenso übergangen, wie seine Nachbarn Tränktor und Holztor. Im Tränktor wohnte ein Turmwart, im Holztor 1430 ein Oleier. Die Metzger wurden nach Aufgabe des Metzgerturms zunächst auf den Turm im Maulbronner Garten umgesetzt; nach dessen Umrüstung zum Pulverturm kamen sie auf das Neupörtel (1611).

Da man ja weit mehr Türme als verfügbare Zünfte hatte, musste man bei der Zuordnung einige Türme überspringen. Sie blieben aber nicht unbesetzt, sondern wurden mitbetreut. Das ist beim Holzturm greifbar, für den offenbar die Oleier sorgten; sie gehörten als Teilgruppe zu den Salzgässlern im Salzturm. Beim Judenturm ist es ebenfalls zu sehen, denn er war 1611 in Obhut der Bäcker; freilich hatten sie im benachbarten Bäckerturm den Schustern weichen müssen, als der Schusterturm im Halben Dach Pulvermagazin wurde.

Viele Türme hatten bestallte Türmer, besonders die Gefängnistürme Altpörtel, Roter Turm, Judenturm, Salzturm und Neupörtel, aber auch Eurichsturm, Weidenpörtel, Tränktor, Utenturm, Schmiedturm und Rheinpörtel. In einigen wohnten Handwerker: Holzturm, Nikolausturm, Armbrusterturm. Die Zuweisung einer Zunft hing davon nicht grundsätzlich ab. Die Türme waren ja nicht nur Wachstationen, sondern vor allem Sammel- und Waffenplätze.

Lösen wir aus obiger Aufstellung unsere Zunftliste zum Jahre X heraus! Die Folge heißt: Krämer < Weber < Tucher < Schmiede < Metzger < Zimmerer < Kürschner < Schneider < Bäcker. Fest liegen die Münzer und Hausgenossen, die Salzgässler, die Lauer und, an sie als Halbzunftgenossen gekoppelt, die Schuster. Aus der Innenstadt ausgeschlossen sind die Gärtner, die Hasenpfühler, die Fischer. Die Altspeyerer kommen als Zunft gar nicht mehr vor.

Schon an den Zunftnamen sieht man, dass hier keine Liste aus dem 14. Jahrhundert zugrunde liegen kann. 1432hatte man nämlich alle Berufsgruppen neu in zwölf Hauptzünfte eingeordnet, in acht ganze und acht halbe Zünfte. 1470, bei der ersten Turmzuweisung, war es auch noch so und es blieb bis zuletzt; nur die Rangordnung wechselte.

Keine der überlieferten Zunftlisten von 1432, 1514, 1553 passt ohne Retusche zu unserer Turmliste. Völlig aus der Reihe fallen die Schneider auf dem Nikolausturm, wie 1611, zwischen Kürschnern und Bäckern. Unter der Annahme, ihr Platz sei das Neupörtel gewesen, rücken sie zwischen Tucher und Schmiede; und plötzlich haben wir eine Zunftliste vor uns, die genau zwischen jene von 1514 und 1553 passt.

Tabelle Tuerme 02

Als einzige Inkongruenz beim Vergleich mit der Liste von 1514 bleibt das Paar Schmiede/Metzger. Mit der naheliegenden Annahme, die Schmiede und die Zimmerer hätten ihren Rang vom Jahre 1514 nicht gleichzeitig um einen verbessert, sondern zunächst, etwa im Jahre 15XX, die Schmiede und danach erst, etwa 1553, die Zimmerer, ließe sich diese Unebenheit erklären.

Jene Zunftliste, nach welcher die acht noch freien Innenstadttürme so von Dauer verteilt wurden, dass sie für deren Namensbildung maßgeblich war, stammt aus der Zeit zwischen 1514 und 1553. Die für 1470 erstmals berichtete, uns im einzelnen unbekannte Verteilung der Türme auf die Zünfte hatte sich also nach einigen Änderungen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts eingependelt.