STADTGESCHICHTE(N): Das mittelalterliche Speyer hielt sich auffallend zurück
Das überrascht und ist erfreulich: Die in ihrer mittelalterlichen Rechtsprechung alles andere als gnädig verfahrende Freie Reichsstadt Speyer hielt sich bei der Hexenverfolgung auffallend zurück. Nur ein Fall ist überliefert.
Das war in vielen Städten Europas anders. Die Zahl der auf den Scheiterhaufen hingerichteten „Hexen“ beiderlei Geschlechts im 16. und 17 Jahrhundert schätzen Historiker auf 60.000 bis 200.000. Allein in Idstein/Taunus gab es 37 Opfer. Das bewegte 2014 die Verordnetenversammlung (entspricht dem Stadtrat) so sehr, dass sie die Opfer auf Antrag der protestantischen Kirchengemeinde des Ortsteils Heftrich „moralisch rehabilitiert“ hat.
„Von dem Vorwurf des Hexenwahns hat sich der Rat, der sich für abergläubische Ideen niemals sonderlich eingenommen zeigte, erfreulicherweise fast vollkommen freigehalten“. So schreibt Theodor Harster in seinem 1900 erschienenen Buch „Das Strafrecht der Freien Reichsstadt Speyer“. Der Jurist und Beamte der bayerischen und württembergischen Landespolizei berichtet „von einem einzigen Hexenbrand in Speyer, die Einäscherung der als Unholdin verdächtigten Barbara Kölerin im Jahre 1581“. Die auffallende Zurückhaltung erklärt sich vielleicht auch damit, dass Speyer von 1527 bis 1689 der Sitz des Reichskammergerichts war, dessen Juristen betuchten Familien von Beschuldigten gegebenenfalls hätten beistehen können.
Verbrennen ließ die Stadt Speyer auch zwei nicht der Hexerei, sondern der Ketzerei angeklagte Männer. Der Inquisition zum Opfer fielen 1360 Berthold von Rohrbach, ein Begharde (Angehöriger einer mönchisch lebenden Vereinigung) und 1426 Peter Turnau, ein Waldenser (Vorläufer des reformierten Protestantismus).
Zwar hielt sich Speyer bei der Hexenverfolgung offenbar zurück, doch in dieser Stadt geschrieben und gedruckt wurde „eines der verheerendsten Bücher der Weltliteratur“, wie es bei „Planet Wissen“ (WDR/SWR) heißt. 1486 verfasste der aus Schlettstadt im Elsaß stammende, von der Diözese Brixen in Südtirol als Inquisitor ausgewiesene Dominikanermönch Heinrich Kramer alias Henricus Institoris in einem Speyerer Kloster den „Hexenhammer“.
Das 1487 von Peter Drach gedruckte dreiteilige, fast 700 Seiten starke Werk „Malleus Maleficarium“ zeigte schon bald Wirkung. Die Begründungen und Anweisungen des von dem Bischof von Brixen „kindisch und verrückt“ genannten Eiferers lösten eine schnell ansteigende Prozesswelle aus.
(Mit der Hexen-Thematik befassten in der neueren Zeit ein von einem Speyerer verfasstes Buch und eine Ausstellung. 2008 brachten Walter Rummel vom Landesarchiv und Rita Voltmer „Hexen und Hexenverfolgung in der Frühen Neuzeit“ heraus, 2009/2010 lief im Historischen Museum die Ausstellung „Hexen – Mythos und Wirklichkeit“). Kauer/Rheinpfalz, Bild: wikipedia