Der frühere Speyerer Architekt Gilgenberg und seine Frau Sofia
Der im Speyer der Nachkriegsjahre bekannte Architekt Pauljosef Gilgenberg, Planer und Bauleiter des LVA-Hochhauses (heute Deutsche Rentenversicherung), hat Nachruhm erlangt. Aus Buch „Papierküsse. Briefe eines jüdischen Vaters aus der Haft 1942/43“, geht hervor, dass Gilgenberg und seine Frau Sofia in ihrem vormaligen Wohnort Falkensee bei Berlin eine jüdische Frau und deren zwei Kinder versteckten und sie vor der Nazi-Verfolgung bewahrten.
In dem im Klett-Verlag erschienen Buch aus Briefen des im KZ ermordeten Ungarn Pali Meller heißt es: In Falkensee hatten seine Ehefrau Franzi mit Tochter Barbara und Sohn Pila „Unterschlupf bei Familie Gilgenberg gefunden, die abseits von Berliner Machtzentrum in ,privilegierter Mischehe‘ mit ihrer kleinen Tochter Gisela lebte“. Frau Meller hatte die zum Katholizismus übergetretene Jüdin Sofia Gilgenberg in der Berliner Ballettschule der Choreografin Tanja Gsovsky kennengelernt, wo Barbara Meller und Gisela Gilgenberg übten.
Weiter heißt es: „Trotz ihrer eigenen Bedrohung hatte Sofia Gilgenberg nicht gezögert, die drei Berliner aufzunehmen. Pauljosef Gilgenberg richtete einen Kellerraum dafür her. Ein besonderes System warnte vor jeder Razzia“.
Der am ersten Weihnachtsfeiertag 1972 verstorbene Pauljosef Gilgenberg, ein Rheinländer, wurde während des Zweiten Weltkriegs nach Speyer dienstverpflichtet. Wie es im Parteijargon hieß, „um in Erfüllung vaterländischer Pflicht zwecks Vorbereitung der kriegsbedingten Errichtung eines Zweigwerks von Siemens & Halske“ tätig zu werden“. Er, seine Frau Sofia und Tochter Gisela blieben nach 1945 in der Stadt am Rhein. Sofia Gilgenberg eröffnete ein Modengeschäft.
Pauljosef Gilgenberg hinterließ in seiner neuen Heimat viele Spuren. Er baute das Lehrerseminar in der Johannesstraße zur Verwaltungsakademie um, dem Vorläufer der Hochschule für Verwaltungswissenschaften (heute ist dort das Finanzamt). Danach engagierte ihn die Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinland-Pfalz für mehrere Um- und Neubauten im Bundesland. Für die BASF plante er das Jugenddorf Limburgerhof. Daneben entwarf der Neu-Speyerer ein Wohnhochhaus in Ludwigshafen.
Nach seinen Plänen wurden Geschäftshäuser wie die Zweigstelle der Hypotheken- und Wechselbank, an der Ecke Schustergasse/Maximilianstraße, die Berufs- und die Burgfeldschule gebaut. Und neben Privathäusern schuf er ab 1957 Speyers ersten Wolkenkratzer, das 14-Stockwerke-Hochhaus der LVA. „Pauljosef Gilgenberg hat das Gesicht Speyers mitgeprägt“ befand Alt-Oberbürgermeister Christian Roßkopf. – Wolfgang Kauer