Die Speyerer Fleisch-Schrannen

Die Speyerer Fleisch-Schrannen

Neben dem Gebäude der Sparkassenfiliale „Alte Münze“ zieht sich das kleine unscheinbare Schrannengässchen vom alten Marktplatz bis zur Großen Himmelsgasse. Die Speyerer können sich unter dem Wort „Schranne“ wenig vorstellen, da es aus dem Speyerer Wortschatz verschwunden ist. Unter „Schranne“ versteht man in Süddeutschland einen Platz, auf dem etwas verkauft wird, auch eine Bank zum Verkauf von Fleisch und Brot oder einen Platz, auf dem verhandelt wird (Gerichtsschranne).
Im Mittelalter gab es in Speyer drei Fleisch-Schrannen: eine innerhalb des Altpörtels, eine zwischen Korngasse und Hauptstraße und die dritte an der heutigen Schrannengasse. Alle drei lagen sie am oder wenigstens in der Nähe des Speyerbaches, der ja erst im 19. Jahrhundert überdeckt wurde. Diese Lage hatte seinen Grund darin, dass jeder Metzger und sein Gesinde „den Wust, so aus den Kutteln kommt und das Blut von den Steinen und Staffeln, diese sobald sie gemetzelt haben, in den Bach hinvor kehren“ und wegschwemmen lassen musste (1538). An den Metzelplätzen führten Schlachtbrücken über den Bach. Auch auf diesen wurde geschlachtet: „so sie uff den Schlachtbrücken metzeln“. Damals durften die Metzger das Fleisch nicht in ihren Häusern verkaufen, sondern mussten es nach dem Herrichten in die Schranne bringen, wo es vor dem Verkauf dem Marktmeister vorgezeigt werden musste (1541). Daraufhin weist eine stadtpolizeiliche Verordnung aus der Mitte des 14. Jahrhunderts: „welicher ful fleisch, vinnet fleisch oder suwen fleisch verkauffet an der stat, do er nit dun soll, der git zwene schillinge Spirscher den metzeler meistern“. Eine weitere Verordnung bestimmt: „die heringe und bückinge veil habent, die sollent sten an den vastschragen iensite zwuschent den fleischschdragen unde der bach und nit an dem vischemarkete“.
Nach dem Brand der Stadt im Jahre 1689 gab es in Speyer nur noch zwei Fleisch-Schrannen. Die kleine lag zwischen Hauptstraße und Korngasse. Die Stadtbeschreibung von 1773 meldet darüber: „Die kleine Fleisch-Schranne ist auf einer Brücke neben dem Alten Kaufhaus, unter welcher die Bach, vorne die Krämergasse (Hauptstraße), hinten der Bronnen, so in der Korngasse steht“. Hinter dem Alten Kaufhaus, in der Korngasse, lag der Metzelplatz, breit 18, tief oder lang 34 Schuh. An die kleine Fleisch-Schranne erinnert nichts mehr.
Die große Fleisch-Schranne lag am Platz der Sparkassenfiliale „Alte Münze“.  Beim Einzug des Bischofs Rudolf von Frankenstein 1554 heißt es: „desgleichen ist auf dem Markt bey der Fleisch-Schrannen herab bis zum Bronnen von bewehrten und geharnischten Bürgern (usw.) eine Schlachtordnung gemacht gewesen“. 1599 wird von einer Behausung am Markt berichtet: „einseits Johann Volz, andererseits die Fleisch-Schranne, hinten die Mehlwaage in unserer Stadt Speyer.“ Nach dem Brand von 1689 wurde diese Schranne wieder erbaut. Bereits 1701 war sie soweit wieder aus Schutt und Asche erstanden, dass man an das Decken des Daches gehen konnte. Die Stadt stellte dafür 2000 Brennziegel zur Verfügung, die aber bei weitem nicht ausreichten. 1712 baten die beiden Zunftmeister Joh. Sebastian Rohr und Jerg Herr den Rat um Genehmigung eines Darlehens von 100 Reichstalern vom städt. Waisenhaus zur Errichtung ihrer Zunftstube. Ein Aquarell aus der Mitte des 18. Jahrhunderts im Museum zeigt links die Schranne mit einkaufenden Frauen und zwei Metzgerkarren. Die Stadtbeschreibung von 1773 berichtet über die Schranne: „das Metzgerzunft Haus und große Fleisch-Schranne, einer Ehrwürdigen Metzgerzunft-Stube ist 2-stöckig, nebst einem Hof“. Das Haus hat eine Breite von 10 Meter am Markt, in der Schrannengasse eine Länge von 20 Meter. In den unteren Räumen, der „Schranne“, boten die Metzger ihr Fleisch feil. Gegen den Markt zu befanden sich zwei Gattertore von je 2,80 Meter Breite und 3,50 Meter Höhe. Den davorliegenden Platz schützte ein auf drei Säulen ruhendes Schrägdach, das fast so lang wie die Hausfront und 3,50 Meter breit war. Unter ihm lag der eingang zum Keller. Die Schranne hatte zwei große Räume, die durch Pfeiler gestützt wurden. Zwei Deckenträgerskulpturen werden als einzigster Rest der Schranne im Museum aufbewahrt. Im Obergeschoss, gegen den Marktplatz zu, befand sich die große Zunftstube. In ihr trafen sich die Speyerer Metzger bei ernsten und frohen Anlässen. So auch – in der alten Schranne – als 1479 Bischof Ludwig von Helmstädt einzog: „Nachts gab es auf der Gärtner-Stuben vor dem Alt-Pörtlein, auch auf der Metzger-, Fischer- und Hasenpfühlerzunftstuben von dem fremden Volk groß Geschell, es wurden viel verwundet und hielten sich die Bürgermeister ohnerschrocken bei dem Tumult und die Bürger und Knecht bei ihnen“ (Lehmann).
Während der Revolutionskriege 1793, als die Kaiserlichen wieder zurückgingen, war die Schranne von genesenden Ungarn belegt. „Dadurch wurde der Fleischverkauf benachteiligt, bisher hätte man geschwiegen, nun aber werde die Schweinerei, welche die rekonvaleszierenden Ungarn auch in der Schranne anrichteten, unerträglich, da sie nicht allein auf den Fleischbänken ihre Köpfe säubern, so dass man öfters ganze Büschel mit Läusen vermischte Haare darauf antrifft, welche die ganzen Blöcke infizieren, sondern auch allenthalben Haufen hinsetzen“. Soweit die „malerische“ Beschreibung durch die beiden Metzger Joh. Daniel Freytag und Friedrich Christian Schultz.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts machte man aus der Schranne ein Mauthaus, ein Warenhaus des Zollamts. Die Lagergebühren, die der Stadtkasse zuflossen und 4 Kreuzer für den Zentner betrugen, waren so hoch, dass wenig Waren mehr darin gelagert wurden. Nicht ohe Seufzen stellte man 1839 fest, dass das Handelshaus Scharpff in der Rheinschanze (heute Ludwigshafen), „der bekannt glücklichere Nebenbuhler des Speyerer Handelsverkehrs“, ganz freies Lager gäbe. Als aber im August 1839 der Speyerer Freihafen eröffnet wurde, kam fast nichts mehr in die Lagerhalle. Daher beschloss der Stadtrat am 3.7.1839, die Lagergebühren ganz zu erlassen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam die Schranne in den Besitz des Schuhfabrikanten Müller. Dieser ließ die Hausfront neu aufbauen, so wie sie noch 1937 zu sehen war. Nach ihm kam das Haus in den Besitz des Schuhhauses Weckbach. Dann kam 1937 der Abbruch und endlich 1950 die Fertigstellung der neuen Sparkasse.

Quelle: Beiträge zur Speyerer Stadtgeschichte Heft 1, Fritz Klotz, Stadtgeschichtliche Miszellen

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