Von alten Steinkreuzen

In der Umgebung von Speyer stehen einige verwitterte Sandsteinkreuze. Sie sind grob zugehauen und zeigen – mit einer Ausnahme – weder Schriftzeichen noch Jahreszahl. Teils hat man sie mit der Schlacht am Speyerbach im Jahre 1703 in Verbindung gebracht, teils sollen sie an Mord und Totschlag erinnern. Wie dem auch sei, der Phantasie bleibt viel Spielraum.
Im Schifferstadter Wald stehen zwei dieser Kreuze. Das eine, aus weißem Sandstein, findet man etwas südostwärts der Ranschbrücke. Es hat eine Höhe von 1,35 m. Der östliche Kreuzarm ist abgebrochen und eine Eisenklammer hält den Kreuzstamm am Sockel fest. Als einziges Zeichen erkennt man das Schifferstadter Hufeisen, ein Wappenzeichen, das auch auf den Grenzstein eingemeißelt und wohl eine spätere Zutat ist.
 
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Im Waldgewann „Kleines Land“ findet man 150 m ostwärts von Kilometerstein 4 und in etwa 30 m südlich der Schifferstadter Straße das zweite Kreuz. Es ist aus Rotsandstein und 1,55 m hoch.

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In der Gemarkung von Harthausen befinden sich ebenfalls zwei derartige Steinkreuze. Eines steht in der „Heid“ beim Modenbach und hat eine Höhe von 1,05 m. Das andere findet man in einer Wiese, westlich der Straße nach Hanhofen. Am oberen Kreuzarm ist die Harthausener Bannmarke – das Pflugmesser – eingemeißelt. Diese beiden Kreuze wurden von einem verdienten Speyerer Heimatforscher Dr. Grünenwald ausführlich beschrieben (s. Palatina S. 124).100_7779

 

Im Speyerer Wald findet man in der Nähe des Rinkenberger Hofes, südlich der Schifferstadter Straße, ein Steinkreuz mit der nicht mehr vollständigen Inschrift: „.. IG DES LORENZ HEISELS“. Es ist etwa 70 cm hoch. Schon die Inschrift verrät, dass dieses Kreuz in Verbindung mit der untergegangenen St.-Laurentius-Kapelle von Rinkenberg steht. Es ist das einzige derartige Kreuz in der Speyerer Umgebung, über das die schriftlichen Quellen Auskunft geben. Das Speyerer Ratsprotokoll von 1616 meldet darüber: „Ao (Anno) 1616 ist das monumentum uf den platz wo die lorentzen Capele gestanden und abgangen, ufgerichtet worden mit der aufschrift in stein gehauen: WARZEIG DES LORENZ-HEISELS“. Vermutlich wurde es bei der Abtragung des „Lorenzen-Buckels“ – dieser lag ja nördlich der Schifferstadter Straße und auf ihm stand die Kapelle – an seine heutige Stelle gesetzt.

Bis in die dreißiger Jahre stand ein Steinkreuz von 1,30 m Höhe an der Straße nach Dudenhofen, gegenüber der Gießerei J.Vogel (heute Dudenhoferstr. 6-8). Am Schnittpunkt der Kreuzbalken war eine Schere eingemeißelt. Darunter befand sich eine schildförmige Vertiefung, in die wohl ursprünglich eine Metallplatte eingelassen war. Dieses Kreuz ließ Dr. Grünewald im Oktober 1924 wieder aufrichten und beschrieb es auch ausführlich (s. Palatina 1924, S. 174: Das Kreuz am Schützenbuckel). Wo ist es heute? Der Speyerer Geschichtsschreiber und Konrektor Georg Litzel (1694 – 1761) berichtet in seinen Schriften von einer ganzen Anzahl solcher Kreuze. Zu seiner Zeit (1747) standen an der Straße nach Worms „auf einem Platz über 30 steinerne Kreuze, da eine ganze Hochzeitsgesellschaft, die vom Spitzenrheinhof zurückkam, von feindlichen Reutern (Reitern) angegriffen und umgebracht worden“. Die Erzählung von der Hochzeitsgesellschaft ist wohl eine Sage.

In Dudenhofen standen bis 1863 an der Straße nach Harthausen drei Steinkreuze. Über ihr Aussehen und ihre Form ist nichts bekannt. Die Kreuze von Dudenhofen, Harthausen und das vom Schützenbuckel in Speyer werden mit der Schlacht am Speyerbach im Jahre 1703 in Verbindung gebracht. Diese Annahme ist aber sehr zweifelhaft. Derartige Kreuze sind im allgemeinen älter. Im Mittelalter war ein Totschläger oder dessen Angehörige verpflichtet, zur Buße an der Mordstelle oder in deren Nähe ein steinernes Kreuz, das „Sühnekreuz“, errichten zu lassen. Die Vorübergehenden sollten am Kreuz ein kurzes Gebet für die Seele des Erschlagenen sprechen. Daher fanden diese Kreuze zumeist an Wegen Aufstellung. Zu Anfang des 16. Jahrhunderts kam diese Sitte außer Gebrauch, da der „Ewige Landfrieden“ und die Halsgerichtsordnung statt der Bußen bestimmte Strafen festsetzten. Aber auch weiterhin wurden derartige Kreuze errichtet, allerdings nicht mehr als Sühnekreuze, sondern als Erinnerungsmale an einen Unglücksfall bei Gewitter, beim Holzmachen, bei der Jagd usw. Dieser Erinnerungsmale wurden von den Angehörigen aufgestellt. Generationen später war der Anlass dazu beim Volk oft schon vergessen, und nun wurden sie, gleich den Sühnekreuzen, mit Mord und Totschlag in Verbindung gebracht.

Namen sind auf den Sühnekreuzen verständlicherweise nicht zu finden. Der Täter oder dessen Angehörigen wollten der Nachwelt so wenig wie möglich von der Tat berichten.
Es kommt auch vor, dass solche Kreuze als Grenz- oder Gemarkungszeichen Verwendung fanden und daher mit der jeweiligen Bannmarke versehen wurden (das Kreuz beim Hanhofener Weg und das bei der Ranschbrücke). Einem ähnlichen Zwecke diente wohl das ehemalige Kreuz am Otterstadter Weg. Mit einem danebenstehenden Gemarkungsstein zeigte es die Gemarkungsgrenze zwischen Speyer und Otterstadt an. Auf dem Speyerer Flurplan von 1715 ist das Kreuz noch eingezeichnet. Heute erinnert daran der Gewannname „am Kreuz“. An der Stelle, wo einst dieses Kreuz stand, befinden sich heute eigentümlicher Weise zwei sich berührende Grenzsteine. Vielleicht soll einer von ihnen die Stelle des verschwundenen Kreuzes markieren. Das ist durchaus möglich, da früher abgebrochene Grenzzeichen – und das Kreuz diente ja als Grenzzeichen – an Ort und Stelle durch neue ersetzt wurden.

Quelle: Beiträge zur Speyerer Stadtgeschichte Heft 1, Fritz Klotz, Stadtgeschichtliche Miszellen

Weiterführende Informationen zu Steinkreuzen auf Sühnekreuz.de

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