Museum erwirbt Industriedenkmal

Seit 1. Januar 2014 Alleineigentümer der früheren Baumwollspinnerei

Seit Jahresbeginn ist die Stiftung Historisches Museum der Pfalz alleiniger Eigentümer eines 1985 als Industriedenkmal ausgewiesenen riesigen Anwesens. Es ist die vor 125 Jahren entstandene Baumwollspinnerei.

Baumwollspinnerei

„Die Stadt Speyer hat ihre Eigentumsanteile an der Baumwollspinnerei bereits 1998 an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts verkauft. Die Museumsstiftung, die dort Depot- und Lagerfläche nutzt, war bislang Miteigentümer und ist seit dem 1. Januar 2014 alleiniger Gebäude-Eigentümer“. So beantwortete Barbara Fresenius von der städtischen Pressestelle die RHEINPFALZ-Anfrage wegen der Besitzverhältnisse des Gebäudes, das seit 1970 teilweise an die Firma Schulz Bibliothekstechnik abgegeben ist. Bisher war die Stiftung zu 45 Prozent Miteigentümer neben einer Gruppe von Privatleuten, jetzt habe sie ihr Vorkaufsrecht ausgeübt, teilte Stiftungsvorsitzender Werner Schineller mit. „Wir wollten uns die Nutzungsmöglichkeiten sichern, nicht das ein Dritter kommt und wir das Nachsehen haben“.  

In seinem über drei Stockwerke verteilten, rund 16.000 qm großen Depot lagert das Museum Exponate aus der Römerzeit sowie Gemälde und Grafiken. Damit beschäftigt sind laut Verwaltungsdirektor Gerhard Bossert neben Sammlungsleiter Römerzeit Dr. Richard Petrovszky insgesamt acht Wissenschaftler und Restauratoren sowie mehrere ehrenamtliche Helfer. Das Gebäude werde trotz des Immobiliengeschäfts, zu dessen Bedingungen das Museum keine Auskunft gibt, genutzt wie bisher. Die Firma Schuklz bleibe Mieter.

Die Stadt Speyer hatte den Spinnerei-Gesamtkomplex – Fabrikationsgebäude samt längst abgerissener Direktionsvilla, Nebenbauten und Schuppen – 1985 erworben. Sie war eingesprungen, als es nach dem Bankrott der „Baumwollspinnerei AG Speyer“ 1967 fast 20 Jahre lang ein Hickhack um den  Erhalt der Anwesen gegeben hatte.

Die Geschichte eines der größten Speyerer Unternehmen des ausgehenden 19. Jahrhunderts spiegelt die Risiken unternehmerischen Wagemuts wider. „Möge dieser erste Schritt, unsere Stadt auf die Bahn der Industrie zu lenken, von dem besten Erfolge begleitet sein“: So bejubelte der „Speierer Anzeiger“ den Zusammenschluss mehrerer Bürger auch aus Landau, Kaiserslautern, Zweibrücken und Winterthur in der Schweiz, um dem Zimmermann Eppel in 10.272 qm großes Grundstück im Nordwesten der ansiedlungsfreien Stadt abzukaufen. Das war im September 1867.

Aber das Konsortium um die Speyerer Georg Peter Süss (Bürgermeister), Louis Levinger (Tuchhändler), Ludwig Gilardone (Druckereibesitzer), Eduard Zimmermann (Papierfabrikant), die Geschäftsleute Adolf und Gustav Haffner, Ludwig Heydenreich und den praktischen Arzt Dr. Weltz musste sich lange gedulden. Und gab schließlich auf, nachdem der Erwerb von Wertpapieren für die neu gegründete Aktiengesellschaft immer wieder stockte.

1889 dann gründete ein auch um den Brauereibesitzer Christian Sick erweiterter Kreis die „Speyerer Baumwoll-Spinnerei AG“. Noch im selben  Jahr begannen die Bauarbeiten des wegen der Nähe des Hauptbahnhofs günstig gelegenen Werkes. Das sich alsbald gut entwickelte – um 1900 waren in sieben Gebäude 245 Leute mit dem Herstellen von Baumwolle beschäftigt.

Auch ein Großbrand am 15. Juni 1904 beeinträchtigte die Entwicklung des Unternehmens nur kurz. Als im August 1914 der 1. Weltkrieg ausbrach, bezogen 203 Frauen und 38 Männer  Lohn von der Spinnerei. Deren Direktion auch sozialgeschichtlich bedeutsame Entscheidungen traf: Bau von Arbeiterwohnungen und eines großen Hauses mit Betriebskindergarten und „Consumverein“.

Nach Kriegsende jedoch machten Weltwirtschaftskrise und Streiks das Werk derart marode, dass nur eine Verpachtung an die Vereinigten Textilwerke Wagner & Moras AG in Zittau/Sachsen Rettung versprach. Aber als auch dieses Unternehmen kränkelte, legte es 1932 das Werk in Speyer still – 413 Arbeitnehmer standen auf der Straße. Bis 1934. Dann setzten die Nazis die Spinnerei wieder in Gang.

Mit der Bayerischen Staatsbank als Hauptaktionmär und dem Diplomingenieur Robert Schwab als Direktor machte die „Baumwollspinnerei AG Speyer“ nach 1945 weiter. 22 Jahre später aber drehte sich die letzte Spindel. „Der unerwartet starke Preisverfall für die Produkte des Unternehmens“ mache „die umgehende Liquidation unumgänglich“ verlautete im Oktober 1967 in der letzten Hauptversammlung. Speyer hatte auf einen Schlag 300 Arbeitslose mehr. – Wolfgang Kauer in DIE RHEINPFALZ; Bild: Vidmayer

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