115 Jahre Speyerer Festplatz – Historischer Unterbau
Ab dem Brezelfest-Donnerstag löst er die Maximilianstraße für fast eine Woche wieder als Speyerer Bummel-Meile ab. Der Festplatz ist seit 115 Jahren das zeitweise meist betretene Gelände der Domstadt.
Ohne viel Aufhebens hatte die Stadt 1898 beschlossen: Weg mit den zweimal jährlich aufgeschlagenen Messbuden vom heutigen alten Markplatz auf der Maximilianstraße und hin mit ihnen auf das gerade aufgeschüttete, zuvor sumpfige Wiesengebiet der Klipfelsau.
Die Verlegung folgte aus zwei praktischen Gründen. Zum einen wurden die Messbuden immer mehr und begannen offenbar, das ruhige Leben der „Beamtenstadt“ zu stören. Zum anderen war vor dem Marxdamm, später Karl-Leiling-Allee, endlich ein Gelände gefunden, das Steine und Bauschutt aus dem Rest der ehemals 21 Innenstadt- und 47 Vorstadt-Türme sowie der Stadtmauern aufnehmen konnte.
In der „Kleinen Stadtgeschichte“ von Fritz Klotz heißt es dazu: „Da die napoleonischen Kriege den Stadtsäckel leer gemacht hatten, schlug 1816 der Bürgermeister Claus dem Stadtrat vor, die noch vorhandenen Türme, Tore und Stadtmauern niederzureißen und das Abbruchmaterial zu Geld zu machen. Von Fall zu Fall genehmigte das Landkommissariat derartige Abbrucharbeiten. Manches mag auch ohne Genehmigung abgerissen worden sein. 1820 gab es noch 16 Vorstadttürme, heute (um 1970; die Red.) sind es nur noch sechs“.
Später kam weiteres gebrauchtes Baumaterial hinzu: Reste der Brauerei „zur Sonne“. Sie wurde nach ihrem Verkauf 1897 abgerissen, um Platz zu machen für das Gebäude des königlich-bayrischen Oberpostamtes, heute Postgalerie.
Wurde anfänglich nur ein Teil des neu erschlossenen Geländes für die Mess‘ und ab 1910 auch für die Brezelfeste gebraucht, so breiten sich bei diesen Anlässen heute rund 100 Schausteller-Geschäfte über alle 40.000 Quadratmeter des Festplatzes aus. Außerhalb der Brezelfest-, Mess‘- und Zirkuszeiten ist er mit 720 Stellplätze der größte städtische Parkraum (Technikmuseum 1050). Nach dem Brezelfest 1995 wurde er gebührenpflichtig.
Im Laufe vieler Jahrzehnte überstand der in den 1950-ern entwässerte, neu befestigte, weitgehend asphaltierte und seitdem mehrmals sanierte Festplatz auch Ausstellungen, Tanzvergnügen, Ballonaufstiege, Fußballspiele, Radrennen, Autoslaloms, Reitturniere. Er bewährte sich auch bei Paraden, Aufmärschen und Mitte der 1980-er bei der vorübergehenden „Belagerung“ durch rund 100 Sinti, die in 20 Autos mit Wohnanhängern aus dem Kölner Raum nach Speyer gezogen waren. Und er überstand auch den vom Fernsehen live übertragenen Großen Zapfenstreich zum Abschied des Bundeskanzlers Kohl.
Von 1912 bis 1940 stand auf dem Festplatz eine 70 m lange und 30 m breite hölzerne Halle. Der Speyerer Oberbaurat Collein hatte sie auf einer Städtebau-Ausstellung in Düsseldorf entdeckt, die Stadt kaufte sie und ließ sie auf dem Rhein nach Speyer kommen. Die Festhalle war Schauplatz von Ausstellungen, Versammlungen, Sängerfesten und auch von Teilen des Brezelfestes. Bis Januar 1940. Da brannte sie vermutlich wegen eines überhitzten Ofens ab und wurde nie ersetzt. „Der Festplatz hat an Weite und Schönheit gewonnen“, meinte die „Speyerer Zeitung“ dazu.
Einmal aber war der Festplatz-Ort in Frage gestellt. 1989 wollte ihn der Disterkreis (ein Bürgergremium mit Vorschlägen zur Stadtentwicklung) auf das Gelände der von den Franzosen geräumten Spahi-Kaserne verlegen. Nach Protesten aus der Bevölkerung und vom Schaustellerverband blieb er da, wo er war und ist. -Wolfgang Kauer (aus der Reihe: Stadtgeschichte(n) in der RHEINPFALZ, 2013); Bild: Emering