Am 24. März 1945 Kriegsende in Speyer – Ein Journalist berichtete darüber
Sechs Wochen, bevor Deutschland am 8. Mai 1945 kapitulierte, war in Speyer und Umgebung der 2. Weltkrieg vorbei. Am 24. März, einem Samstag vor 70 Jahren, rollten die Amerikaner ein. Gebeten von dem zwischen 1919 und 1943 sowie 1945 bis 1946 amtierenden Oberbürgermeister Karl Leiling, hielt der Speyerer Journalist Dr. Richard Mandler die Tage des Kriegsendes und eine kurze Zeit danach in seiner Heimatstadt fest.
Das Stadtarchiv hat Mandlers Artikel aufbewahrt. „Die Rheinpfalz“ berichtet von den Erkenntnissen des zuerst bei der „Speyerer Zeitung“, nach deren Verbot bei der Lokalausgabe der „Neuen Abendzeitung für den Gau Saarpfalz“ tätigen Redakteurs.
22. März 1945: Der elektrische Strom blieb aus. Damit war die Radioverbindung mit der Welt unterbrochen. Um die Mittagszeit heulte die Behelfsirene zum letzten Mal Vollalarm. Gleichzeitig setzte Gewehrfeuer an der Wormser Landstraße ein ….. Gerüchte liefen wild um. In der Stadt richtete man sich auf längeren Kelleraufenthalt ein. Die nationalsozialistischen Schilder und Aufschriften wurden entfernt.
23. März 1945: Gegen 10.30 Uhr wurde die Rheinbrücke gesprengt …. Die Absatzgefechte um Speyer kamen in Gang, die von Ludwigshafen vorstoßenden Amerikaner hatten vor dem neuen Friedhof Gefechtsberührung aufgenommen. Auf deutscher Seite standen Truppenreste, reguläre Soldaten, Arbeitsdienst und Volkssturm. Das Gefecht zog sich von der Wormser Landstraße aus über den Spitzrheinhof gegen die Celluloidfabrik hin. Im Ludwigshof war die amerikanische Gefangenensammelstelle. Über der nördlichen Vorstadt lag Artilleriefeuer.
Gegen 15.30 Uhr verabschiedeten sich Kreisleiter Schmitt, Oberbürgermeister Trampler und Bürgermeister Bechtel über den Rhein. Amtmann Karpp übernahm aushilfsweise die Leitung der Stadt (NSDAP-Gaupropagandaleiter Rudolf Trampler amtierte zwischen 1943 und dem 23. März als Oberbürgermeister seiner Geburtsstadt. Er war nach München geflüchtet, wurde in Landau kurz interniert und kehrte 1949 nach Speyer zurück. 1974 starb er).
Um 17 Uhr detonierte auf dem Festplatz ein voll beladener Munitionslastwagen. Er sollte erst vor dem Stadthaus auf der Hauptstraße stehen gelassen werden, der technische Nothilfe brachte ihn weg.
Bei der Verteidigung Speyers sind 23 Mann gefallen, die Amerikaner haben ihre Toten selbst begraben (die Anzahl ihrer Gefallenen ist nicht bekannt; die Red.).
24. März 1945: Die Amerikaner drangen am Rheintor, in der Bahnhofstraße und am St.-Guido-Stifts-Platz mit ihren Panzern in Stadt ein….. Kurz nach 7 Uhr sicherten ihre Panzer die Straßenkreuzung der Hauptstraße. Die Panzer hatten schwarze Besatzungen. Gegen 8 Uhr tauchten erste Infanteriestreifen auf und schlichen schussbereit durch die nördlichen Straßen. Um 8 Uhr übergab Amtmann Karpp die Stadt auf dem Marktplatz am Eingang zur Schrannengasse (der Amerikaner stand im Rang eines Obersten; die Red.). Karpp wurde anschließend mit der Verwaltung der Stadt beauftragt.
Im Lauf des Samstagvormittags kamen immer mehr Panzer, Fußtruppen und Kolonnen in die Stadt. Auffallend war die große Ruhe und Disziplin, mit der sich das alles vollzog. Das üppige Mittagesessen der Truppen erregte das Staunen den Bevölkerung.
25. März 1945: Am Sonntag wurden Plakattafeln errichtet und die neuen Verordnungen angeschlagen. Sie enthielten zum Teil ganze, bzw. teilweise Sperrungen von Bankguthaben.
Es wurde ein Ausgehverbot verhängt, die Bevölkerung durfte nur von 9 bis 11 Uhr und von 15 bis 17 Uhr auf die Straße. Die Geschäfte waren geschlossen die Telefone bis Juni gesperrt. Unruhe in den Straßen. Fotoapparate, Ferngläser und Waffen wurden beschlagnahmt.
In der Nacht zum Montag gab es deutschen Artilleriebeschuss – Streufeuer vom Rhein herüber. Die Amerikaner sollen versucht haben, den Strom beim Angelhof zu überqueren. Bei der Kollerinsel haben sie offenbar Erfolg.
29. März 1945: Am Gründonnerstag wurde um Mannheim gekämpft. Die bei Speyer in Stellung gegangene amerikanische Batterie feuerte unablässig ins Badische hinüber. Der Luxhof wurde in Trümmer gelegt.
Ebenfalls am Gründonnerstag tauchten die ersten Franzosen in Speyer auf. Mit einem Schlag wurde es wieder lebhaft auf den Straßen. Auf der Hauptraße begrüßen französische Fremdarbeiter temperamentvoll ihre Landsleute. Am selben Tag kam zweitweise auch der elektrische Strom wieder und damit die Radioverbindung mit der Außenwelt..
30./31. März 1945: Frankreichs Staatpräsident Charles de Gaulle war am Karfreitag und Karsamstag in Speyer, am 30. März nahm er vor dem Dom eine Parade ab. Aus Sicherheitsgründen musste der Hasenpfuhl vollständig geräumt werden. Nach drei Tagen durften die Leute wieder einziehen
In großem Ausmaß wurden über die Osterfeiertage Geschäfte und verschiedene Ämter geplündert. Daran beteiligten sich fremdländische Völker und deutscher Mob.
Die Stadtretter
Eine auf dem Altpörtel von dem als Stadtoberhaupt eingesetzten Stadtamtmann Adam Karpp aus Hanhofen gehisste weisse Flagge zeigte die Kapitulation an. Darum gebeten hatte ihn der Polizei-Inspektor Richard Seither. Beide riskierten damit ihr Leben. Zwar hatten sich in der Nacht zum 24. März die letzten deutschen Kampfeinheiten über den Rhein abgesetzt – die Rheinbrücke hatten sie am Vortag gesprengt -, doch es war nicht sicher, ob sich nicht noch ein 45-Mann-Trupp des „Sicherheitsdienstes des Reichsführers SS“ in Speyer aufhielt.
Das Fahnehissen wurde möglicherweise durch eine nicht weniger mutige Tat ausgelöst. Am 23. März waren etwa 40 Frauen vors Rathaus gezogen und hatten die kampflose Übergabe der Stadt verlangt. Polizei-Inspektor Seither erinnerte sich: „Ich erklärte den Frauen, dass der Oberbürgermeister nicht mehr da war und dass hierfür nur der Kampfkommandant zuständig sei. Daraufhin wollten sie zur Kaserne ziehen, worauf ich ihnen sagte, sie sollten das unterlassen, denn er Kampfkommandant ließe vielleicht auf sie schießen. Daraufhin begaben sie die Frauen wieder in ihre Wohnungen“. Kampfkommandant Timpel, Hauptmann oder Oberst und Ritterkreuzträger, hatte noch am 22. März angeordnet, die Stadt sei „bis zuletzt zu verteidigen“.
Unabhängig von Richard Seither und Karpp bewahrte ein weiterer Speyerer am 24. März 1945 die Stadt vor einem möglichen Beschuss der Amerikaner. Der Offizier Alfons Kaufmann, den ein Blinddarmdurchbruch vor dem Russland-Einsatz bewahrt hatte und der in seiner Heimatstadt „wiederverwendet“ wurde, war mit einigen Soldaten zur Sicherung einer Panzersperre am St. Guido-Stifts-Platz befohlen. Als ein Anwohner eine weiße Flagge auf die Sperre gesteckt hatte, ließ sie der Offizier nicht entfernen und – nachdem die GI’s herangekommen waren – nicht auf den die Sperre öffnenden US-Soldaten feuern. (wk)